Galaxus soll Marktplatz-Händler diskriminieren – wir klären auf

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Die Tage hat uns ein anonymer Hinweis erreicht, der kein gutes Haar an Digitec Galaxus liess. Der dominante Marktplatz im Schweizer Onlinehandel soll Händler diskriminieren:

Seit einigen Tagen zeigt Galaxus auf den Produkten nicht mehr die Marktplatz-Teilnehmer an. Viele Händler fühlen sich total veräppelt, Antwort von den Key Accountern gibt’s dazu keine.

So die Zeilen eines wütenden Händlers, der anonym bleiben wollte. Tatsächlich ist beim Blick auf eine Produktdetailseite (PDP) der Bereich, wo früher die verschiedenen Händler prominent aufgeführt waren, verschwunden. Hat Digitec Galaxus die Marktplatz-Teilnehmer-Übersicht auf den Seiten wirklich entfernt?

Nein, die Übersicht ist noch da. Aber sie hat eine neue Platzierung erhalten, nämlich ganz weit unten, und mit neuem Design: Wer nicht aktiv danach sucht, der findet diese nicht. Andere Händler, die das gleiche Produkt anbieten, jedoch nicht erste Wahl der «Buy Box» sind, sind jetzt für den Kunden praktisch unsichtbar geworden.

Die Übersicht mit allen Marktplatz-Teilnehmern ist auf der PDP neu so weit nach unten verschoben worden, dass unser anonymer Kritiker sogar dachte, sie wurde ganz entfernt. — Quelle: Screenshot galaxus.ch
Ein grosser Unterschied: Links die neue Platzierung der Marktplatz-Teilnehmer-Übersicht ganz weit unten auf der PDP; rechts die alte Platzierung der Übersicht prominent ganz oben auf der PDP mit allen Marktplatz-Händlern. — Quelle: Carpathia Archiv.

Die Anschuldigung, Digitec Galaxus habe die Marktplatz-Händler von den Produktdetailseiten entfernt, kann entkräftet werden. Doch warum wurde die Übersicht in der PDP überhaupt so weit nach unten geschoben? Digitec Galaxus begründet es mit Kundenorientierung:

Wir möchten der Kundschaft in der Buy-Box immer das beste Angebot präsentieren. Diese rein grafische Anpassung ist eine Anpassung an das User-Bedürfnis nach weniger Ablenkung und mehr Kundenorientierung – unterstützt durch A/B-Testing. Es herrscht Gleichberechtigung zwischen den Anbietern.

Der Marktplatz-Betreiber sagt ausserdem, dass es keinen Unterschied machen würde, ob die Übersicht nun weit unten oder wie früher oben ist, denn auch vorher hätten sich die Kunden kaum für andere Angebote als das in der Buy Box interessiert: «Durch Analysen konnten wir feststellen, dass das zweitgünstigste Angebot für die Kundinnen und Kunden nicht von Interesse ist.»

Auch die Anschuldigung, dass ein Kalkül dahinter stecke, um die Produkte aus dem Eigenhandel aktiv zu fördern, weist der hybride Online-Marktplatz dezidiert zurück: Es herrsche Gleichberechtigung zwischen den Anbietern und es werde nicht unterschieden, ob es sich beim besten Angebot für die Buy Box um ein Angebot eines Markplatz-Teilnehmers oder eines von Galaxus handelt.

Wie die Produkte für die Buy Box ausgewählt werden, könne in einem für alle zugänglichen Wiki-Artikel nachgelesen werden. Dort steht drin, dass die Parameter «Preis, Lieferzeit und Mindestbestellmenge» entscheidend sind, ganz klar ist es aber nicht: Die Auswahl trifft ein Algorithmus.

Wir hoffen, dass wir mit diesem Beitrag Licht ins Dunkle bringen konnten. Uns ist nicht bekannt, ob und wie viele andere Händler sich über diese Anpassung echauffiert haben oder ob es sich bei diesem Kritiker um einen Einzelfall handelt. Sicher ist jedoch, dass der günstigste Preis und eine kurze Lieferzeit noch wichtiger geworden sind für Marktplatzumsätze.

Sympathie-Punkte hat der grosse Onlinehändler bei zumindest einem Partner jedenfalls nicht gesammelt. Leider reiht sich diese Kritik ein in aktuell weitere negativ behaftete Berichterstattungen über Digitec Galaxus, wie die Infragestellung der verlustreichen Expansion ins Ausland durch die neue Migros-Führung sowie auch die Meldung, dass sich Galaxus nicht mehr «Deutschlands ehrlichsten Online-Shop» nennen darf.

Nachtrag: Wir haben nach Veröffentlichung des Artikels erfahren, dass Digitec Galaxus bei bestimmten Artikeln durchaus weiterhin mehrere Angebote bei der Buy Box anzeigt. Dies bei Artikeln, bei denen der Kunde entweder zwischen einem günstigeren oder einem schneller lieferbaren Angebot wählen kann. Oder anders gesagt: Wenn ein Angebot günstiger, aber langsamer oder ein Angebot teurer, aber schneller lieferbar ist, wird die Information für den Kunden oder die Kundin angezeigt. So zum Beispiel bei diesem Microsoft Surface Pro 9. Beim Klick auf den im Screenshot rot markierten Button, öffnet sich die Händler-Auswahl als Pop-up.

Bei Klick auf den rot umrahmten Button, der auf dem Screenshot etwas verdeckt ist, öffnet sich ein Pop-up, bei dem der Kunde zwischen anderen Händler-Angeboten auswählen kann, wovon z.B. ein Angebot günstiger ist als das von Galaxus, dafür aber eine längere Lieferzeit hätte. Der Kunde könnte nun aktiv dieses Angebot auswählen, wenn ihm oder ihr die Lieferzeit weniger wichtig ist als der Preis.


3 KOMMENTARE

    • Genau so ist es! Aber viele sind verzweifelt. Erzielen keine oder zu wenige Umsätze und dann soll der Marktplatz die Lösung sein…

  1. Galaxus wird seit Jahren mit Samthandschuhen behandelt. Die Buy-Box war schon zuvor sehr intransparent. Im Prinzip ist es immer Galaxus, wenn Galaxus am Start ist. Nur wenn wenn der Händler sofort liefern kann und günstiger ist, erhält er den Vorzug. Sonst gilt: „Oh bei diesem Produkt ist die Verfügbarkeit wichtiger“ -> daher Galaxus. Im anderen Fall gilt dann „Oh bei diesem Produkt ist der Preis wichtiger“ -> daher Galaxus.

    Viele Händler sind verzweifelt und begeben sich daher in die Klauen des Migros-Riesen. Meistens ist es aber das Anfang vom Ende…

    Habt ihr euch noch nie gefragt, warum es keine Erfolgsgeschichten aus dem Galaxus-Marktplatz gibt? Ist bei Amazon ganz anders… So fragwürdig dieses amerikanische Unternehmen ist, muss man ihm trotzdem lassen, dass es seinen Händler viel Umsatz bringt. Von Galaxus gibt es da keine Zahlen. Keine Händler, die was sagen (dürfen?). Alles sehr seltsam.

    Galaxus empfiehlt seinen Händlern, die Versandkosten und Provisionsabgabe nicht auf den Preis draufzuschlagen. Wie weltfremd muss man sein, um so etwas zu empfehlen/fordern? Als hätte ein Händler die Chance viele Produkte miteinander zu verschicken…

    Generell würde ich vermuten: Würde sich Amazon so intransparent verhalten wie Galaxus, hätten sie schon längst eine Klage der EU am Hals. Auch stürzen sich deutsche Medien auf das Thema. In der Schweiz ist Galaxus aber „der/die Gute“. Wacht auf…

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