Outfittery – das Interview mit den Gründerinnen

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Julia Bösch und Anna Alex - Gründerinnen von Outfittery
Julia Bösch und Anna Alex – Gründerinnen von Outfittery

Gestern ist das Curated Shopping Portal Outfittery in der Schweiz gestartet, nachdem es in Deutschland bereits im ersten Jahr sehr erfolgreich unterwegs war. Das Konzept des „interaktiven Personal Shoppers“ ist in dieser Form neu für die Schweiz und man darf gespannt sein, wie es vom Schweizer Markt aufgenommen wird.

Die Online Modehändler in der Schweiz sind unter grossem Druck – insbesondere hat der Markteintritt von Zalando vor knapp 2 Jahren die Karten neu verteilt. Outfittery kommt nun mit einem neuen Konzept und dürfte sich ein weiteres Stück vom Schweizer Online-Modehandel abschneiden.

Ich habe den beiden Gründerinnen, Julia Bösch und Anna Alex, im Vorfeld des Starts ein paar Fragen gestellt:

Ihr kommt beide aus dem Umfeld von Rocket-Internet. Anna war zuletzt beim Schweizer Gutscheinportal DeinDeal.ch und Julia bei Zalando. Was gab den Ausschlag, gemeinsam letztes Jahr OUTFITTERY zu gründen?

Das schnelle Wachstum und die Dynamik der digitalen Welt und der Start Ups, die sich in ihr bewegen, haben mich schon früh fasziniert. Erstmals während meiner Schulzeit am Bodensee, als ich bei einem Internetunternehmen gejobbt habe. Anna habe ich später kennengelernt, als wir beide bei Zalando gearbeitet haben. Weil wir uns auch privat gut verstanden, entschlossen wir uns, irgendwann mal zusammen einen Start Up zu gründen.

Aber es sollte nicht einfach irgendeine Online-Plattform sein: Wir wollten einen klaren Mehrwert für Kunden bieten. Inspiriert von einem New York Aufenthalt kam uns dann die Idee: Personal Shopping für Männer im Internet – und OUTFITTERY war geboren. Bereits nach einem Jahr haben wir in Deutschland 50‘000 Kunden für unseren Service. Und nun expandieren wir nach Österreich und in die Schweiz.  Irgendwie verrückt, aber super motivierend.

 Wie habt Ihr den Bedarf identifiziert, dass Männer vor allem auf einen solchen Service gewartet haben?

Die Idee zu Outfittery kam mir in New York. Ich war mit einem Freund dort, der Unternehmer ist und daher wenig Zeit zum Shoppen hat. Weil er trotzdem gut aussehen wollte, leistete er sich einen Personal Shopper. In den USA ist das schon länger ein Trend, nicht nur bei den Stars. Als er mir begeistert von der Erfahrung mit dem Personal Shopper erzählte, beschloss ich das Prinzip in Deutschland Online zu verwirklichen.

Schließlich gibt es viele Männer, die entweder keine Zeit oder Lust haben, shoppen zu gehen. Anna war von der Idee genauso begeistert wie ich. Hinzu kam, dass wir von männlichen Kollegen immer wieder hörten, wie schwierig es sei, sich durch das riesige Angebot des Internets zu wühlen, um typgerechte Klamotten zu finden: «Wir Männer sind pragmatisch – wir wollen ein maximales Ergebnis mit minimalem Aufwand.» Und genau das bietet Outfittery.

Laut div. Untersuchungen wie unserer SHEcommerce Studie sind es vor allem die Frauen, die generell einen Grossteil der Kaufentscheidungen treffen. Kaufen bei Euch wirklich die Männer ein oder entscheiden zu Hause dann deren Frauen, was passt?

Wir erleben beides. Männer sind generell in Modefragen sehr viel selbstbewusster als noch vor fünf, zehn Jahren. Und lassen sich von ihrer Frau oder Freundin nicht mehr sagen, was ihnen steht und was sie kaufen sollen, auch nicht beim Business-Hemd und der Krawatte. Die klischeehafte Annahme, dass in Modefragen die Frau die Kaufentscheidung für ihren Mann trifft, ist bei unserer anspruchsvollen und urbanen Zielgruppe also falsch. Gleichwohl lassen sich die Männer gerne kompetent beraten, Styling-Tipps geben und in ihrem Style bestätigen, sei es von der eigenen Frau oder von unseren OUTFITTERY Style-Expertinnen.

Männer mit modischem Geschmack sind oft auch offen modisch  etwas Neues auszuprobieren. Aber klar gibt es auch Frauen, die bei uns ihre mode-muffeligen Männer anmelden. Die meisten sind dann auch von unserem Service richtig begeistert und kommen von selbst wieder auf uns zu. Und wir hatten auch schon Sekretärinnen, die ihre Chefs angemeldet haben – ob auf Wunsch der Chefs oder als kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, dass mal ein neues Business-Outfit fällig wäre, entzieht sich unserer Kenntnis.

Ihr bearbeitet den Markt ja nicht alleine; Ebenfalls im vergangenen Jahr ist modomoto.de gestartet und modemeister.de hat im Mai dieses Jahres bereits die Segel gestrichen. Was macht Ihr anders oder besser?

Wir konzentrieren uns auf eine anspruchsvolle Zielgruppe und bieten erstklassigen Service. Wir nehmen die Mode- und Stilberatung sehr ernst und sehen das nicht einfach nur als nettes kleines Zusatzangebot. Unsere Style-Beraterinnen nehmen sich viel Zeit für die Kunden. Einen persönlichen Kontakt zwischen Style-Beraterin und Kunde aufzubauen ist unsere Stärke. Unsere Style-Beraterinnen kennen ihre Kunden und wissen, was sie brauchen und mögen. 

 Wie seid Ihr finanziert und seid Ihr schon profitabel?

Wie die meisten Internet-Start Ups haben auch wir starke Partner, die mit uns in die Idee einer Personal Shopping Plattform investiert haben, wie zum Beispiel Holtzbrinck Ventures und Mangrove Capital Partners. In nur einem Jahr haben wir 50‘000 Kunden gewonnen und ein Team von 50 Mitarbeitern aufgebaut. Und dieser Erfolg erlaubt uns nun in die Schweiz zu expandieren.»

Welche speziellen Anpassungen am Konzept habt Ihr für den Schweizer Markt vorgenommen?

Das Grundkonzept ist das gleiche wie in Deutschland oder Österreich. Auch wird die Seite gleich aussehen. Wir haben aber Schweizer Style-Beraterinnen eingestellt, die Schweizer-Deutsch sprechen, den Schweizer Markt gut kennen und auch wissen, welche Marken hier angesagt sind. Auch haben wir für unsere OUTFITTERY Versand-Kofferbox ein Schweizer Design entworfen.

Habt Ihr eine Niederlassung oder jemanden permanent vor Ort  in der Schweiz oder macht Ihr alles aus Berlin?

Anfangs werden wir das alles aus Berlin machen. Im Zeitalter des Internet kein Problem. Auf längere Sicht können wir es uns aber durchaus vorstellen auch direkt mit Style-Beraterinnen oder einem Logistik-Zentrum in der Schweiz präsent zu sein.

 Wie habt Ihr das logistisch gelöst; wird alles in Berlin kommissioniert und kommt einzeln oder gesamthaft über die Grenze?

Wir arbeiten mit einem Schweizer Logistik-Partner zusammen. So können wir sicherstellen, dass die Boxen schnell bei unseren Kunden in der Schweiz ankommen.

In Deutschland habt ihr nach eigenen Angaben bereits 50’000 Kunden – was für Ziele habt Ihr Euch für die Schweiz gesetzt?

Es wäre natürlich klasse, wenn wir auch in der Schweiz 50‘000 Kunden nach einem Jahr hätten. Aber eigentlich will ich mit nicht zu einer Prognose hinreissen lassen. Wir wollen ganz einfach einen Job machen und vertrauen darauf, dass die Schweizer Männer unseren Personal Shopping Service mögen.  Erfreulich ist, dass wir schon vor dem Aufschalten viele Voranmeldungen aus der Schweiz und schon mehrere Hundert Facebook Fans hatten.

Wie beurteilt Ihr die Skalierbarkeit Eures Geschäftsmodels, denn je mehr Kunden, je mehr Styleberaterinnen werden benötigt, d.h. die Personalkosten dürften linear mitwachsen? 

Linear werden diese Kosten sicherlich nicht mitwachsen. Denn je öfter ein Kunde sich von seiner persönlichen Style-Beraterin helfen lässt, desto besser funktioniert unser Prinzip. Die Qualität der Beratung und die Treffsicherheit der Auswahl nehmen signifikant zu, je besser die Style-Beraterin den Kunden kennt. Gleichzeitig nimmt natürlich auch der Zeitaufwand ab. Und wir wachsen nicht nur mit jedem neuen Kunden, sondern auch, wenn zufriedene Kunden wiederkommen.

Das Risiko bei solchen Outfits ist ja da, dass etwas den Herren nicht passt oder gefällt. Könnt Ihr Angaben zur Retourenquote machen?

Unser Geschäftsmodell beruht darauf, dass wir komplette Outfits zuschicken, um dem Kunden die Kombinationsmöglichkeiten aufzuzeigen. Natürlich wird da auch mal das eine oder andere Teil zurückgeschickt, aber es wir auch mal das eine oder andere Teil zusätzlich verkauft, da unsere Style-Beraterinnen ganz gezielt modische Anregungen mitschicken – etwas, das der Kunde vielleicht gar nicht explizit gewünscht hat, was aber trotzdem sehr gut zu ihm passen könnte.

Das ist unser Prinzip des Beratens: Wir erwarten nicht, dass alles behalten wird, sondern schicken dem Kunden eine Auswahl an Möglichkeiten. Er entscheidet dann zu Hause selbst, was er behalten möchte und was nicht. In unserem Geschäftsmodell ist dieses Prinzip klar verankert. Auch erleben wir, dass Kunden von unseren Vorschlägen begeistert sind und komplett alles behalten. Das freut uns dann natürlich.

Was ist das Erfolgsrezept, dass Eure Styleberaterinnen den Geschmack der Kunden möglichst gut treffen?

Es ist der persönliche Kontakt: Die Style-Beraterinnen sprechen mit ihren Kunden und schauen natürlich genau hin, was behalten wurde und was nicht. So lernen wir mit jeder Bestellung dazu. Außerdem bekommen wir von Kunden Feedback, warum sie bestimmte Teile nicht behalten haben. Wenn der Ärmel einer bestimmten Marke nicht lang genug war, vermerken wir das, und die Style-Beraterin sucht passendere Teile heraus.

Besten Dank an Julia Bösch und Anna Alex für diese Antworten und viel Erfolg mit dem Schweizer Ableger.

Das Interview wurde schriftlich geführt.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

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