Neulich unterhalten sich zwei Reisende im gediegenen Erstklassabteil im Intercity Zug von Zürich nach Bern. Thema war dieses Internet mit dem man sich almählich anfreundet und über Onlineshopping.
Sie, nenne wir sie Anna, Ende Dreissig, Karriere in einem Versicherungskonzern und oberste Kaderstufe, verheiratet und 2 Kinder. Er heisst Beat, ist nur unwesentlich älter, erfolgreicher Private Banker bei einer Grossbank, verheiratet und 1 Kind aus erster Ehe.
Anna erzählt Beat, wie sie ihr Einkaufsverhalten komplett verändert habe. Waren es früher nur Bücher, kauft sie heute auch Kleider, Schuhe und neuerdings regelmässig Lebensmittel online ein. Sie schätzt die breite Auswahl und die Empfehlungen, die sie immer mal wieder Neues entdecken lassen. Beat hört ungläubig zu und runzelt die Stirn. Und kommt hinzu, so Anna weiter, dass sie alles bequem nach Hause bekomme, im Kreise ihrer Familie anprobiere und den Rest einfach wieder zurücksende. Die Post hole es gar bei ihr zu Hause ab.
Ja anprobieren! Ohne ginge es nicht, meint Beat. Wenn er sich einen neuen Anzug oder auch ein neues Outfit für den Golfplatz kaufe, dann müsse das schon perfekt sitzen. Beat lässt sich im Herrenausstatter seiner Wahl an der mondänen Zürcher Bahnhofstrasse regelmässig verschiedene Stücke bereit legen, die er dann unter fachkundiger Anwesenheit eines Verkäufers anprobiert. Er ist stolz darauf, dass er sich immer mindestens 5 Varianten zeigen lässt und meint etwas herablassend, dass der Verkäufer die Sachen ja dann wieder in der Umkleidekabine zusammentragen kann und zurücklegen. Schliesslich sei dieser ja den ganzen Tag bezahlt.
Anna nickt wohlwollend und kann sich ein kaum sichtbares Kopfschütteln über Beats Verhalten nicht verkneifen. Dann fängt sie an zu strahlen und beschreibt Beat, wie sie gerade mit ihrem Mann die Einrichtung für die neue Ferienwohnung online zusammengestellt habe. Am regnerischen Sonntagnachmittag hätten sie sich bei verschiedenen Onlineshops umgesehen und spontan die Ausstattung für Wohn- und Esszimmer wie auch die Kinderzimmer bestellt.
Beat erhebt seine Stimme und meint zu Anna schon fast belehrend, dass das doch viel zu unsicher sei. Man könne doch nicht Einrichtungsgegenstände bestellen, die man noch nie gesehen habe. Dann erhebt er den Mahnfinger.
Du investiertst da ja in Dinge, die Du noch nicht mal angefasst hast. Und überhaupt auch Kleider, Schuhe – auch wenn sie nur ein paar Hundert Franken kosten – muss man doch anprobieren und anfassen können!
Daran riechen und spüren, ob man sich darin wohlfühlt. Und das sei doch total töricht, einfach so die Katze im Sack zu kaufen.
Dann senkt sich Beats Stimme wieder und er erzählt, dass er gerade die Reservationsgebühr von 30‘000 Franken für eine neue Eigentumswohnung überwiesen habe. Diese sei erst in Planung und der Baubeginn erfolge bald. Die Pläne vom Architekten seien toll und er habe sich auch ein paar Visualisierungen auf A4-Farbdruck angesehen. Das sei total überzeugend gewesen und er hätte nicht lange überlegen müssen, und hätte sich für diese Investition von knapp 2 Mio Franken entschieden. Ganz spontan sei er gewesen, wie er genüsslich anmerkt.
Dann lehnt sich Beat zurück und blättert im neuen Audi-Katalog. Auch ein neues Auto soll es sein, es sei am Autosalon erstmalig präsentiert worden, leider konnte er dieses Jahr nicht nach Genf wegen Geschäftsterminen. Doch im Spätsommer stehe das schnittige neue Auto erstmals bei den Händlern im Schaufenster. Ehrensache, dass Beat zu den ersten gehören will, die das neuste Modell fahren, Er wird noch heute seinen Garagisten anrufen und den Wagen bestellen.