Praxis-Insights Nr. 3 mit Whiskypirat – Ausprobieren, validieren und lernen lautet die Devise

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In der Blog-Serie „Praxis-Insights“ berichten mittelständische Unternehmen von ihren E-Commerce-Erfahrungen, den wichtigsten Learnings und ihren Herausforderungen. Unsere Interviewpartner nominieren den nächsten Kandidaten und geben uns gleich eine Frage mit auf den Weg. Es bleibt also spannend, auch für uns.

In diesem Interview befassen wir uns mit whiskypirat.ch, dem Whisky-Preisvergleich und -Marktplatz für die Schweiz. Unterhalten durften wir uns mit Chris Tuchschmid, der uns hinter die Kulissen des Unternehmens schauen liess.

Über Chris Tuchschmid, Geschäftsführer der Deliwell GmbH: Es besser zu machen als andere, das treibt Chris Tuchschmid an. Seine Karriere hat als Software Entwickler begonnen, wo er jahrelang im Versicherungs- und Banken-Sektor gearbeitet hat. 2016 ergriff Chris Tuchschmid die Chance, sich selbstständig zu machen mit Fokus Webentwicklungen im Bereich E-Commerce.

[Carpathia] Kannst Du uns bitte etwas über Whiskypirat, euer Geschäftsmodell und eure Kunden sagen?

[Chris Tuchschmid] Gestartet sind wir 2015 als Tages-Schnäppchenplattform. Dabei haben wir die Restposten oder Überbestände von Händlern im Dropshipping angeboten und dafür ein Kommission erhalten.

Dies ist aber kein Geschäftsmodell, mit dem man sich von der Konkurrenz auf Dauer abgrenzen kann und so haben wir begonnen, Services rund um das Produkt zu bauen.

Entstanden ist über die Zeit eine automatisierte Preisvergleich-Plattform, die verfügbare Produkte der Händler auflistet. Dabei verdienen wir eine Kommission bei jedem verkauften Produkt, das beim Händler selbst via Whiskypirat gekauft wurde (Affiliate).

Danach kam ein echter Marktplatz dazu (Sekundärmarkt), der Kunden erlaubt, direkt auf jedem bestehenden Produkt eine Such- oder Verkaufsanzeige aufzuschalten. Hier verdienen wir zukünftig an den Anzeigen, die über der kostenlosen Grenze liegen.

Hinzugekommen ist Anfang 2020 eine vollwertige Auktionsplattform für Händler. Damit geben wir dem Händler eine Möglichkeit, Whisky-Raritäten oder Spezialabfüllungen aus Privatankäufen auf Whiskypirat im Auktionsverfahren anzubieten. Hier erhalten wir ebenfalls eine Kommission.

[Carpathia] Wie gross seid ihr und in welchen Regionen oder Ländern seid ihr aktiv?

[Chris Tuchschmid] Whiskypirat gibt es in der Schweiz und in Deutschland. Wir sind ein kleines Unternehmen, bestehend aus einem Team von drei Personen. Auf Whiskypirat sind etwa 2’800 Produkte gelistet. Dabei sind wir stetig organisch gewachsen und werden dies auch weiterhin tun. Über das ganze Jahr hinweg betrachtet sind wir bei circa 10’000 Unique Besuchern monatlich, die Whiskypirat besuchen.

[Carpathia] Warum besuchen Kunden eure Plattform?

[Chris Tuchschmid] Die Kunden finden bei uns eine Vielzahl von Whiskys mit den notwendigen Produktinformationen und der Produktreferenz von Whiskybase, dem meistbeachtesten Bewertungsportal für Whiskys. Dazu sehen die Kunden, welche Händler oder Privatpersonen das Produkt aktuell anbieten oder suchen, unter Einbezug der Versandkosten.

Die Whiskyschnellsuche ist dabei die am allermeisten geschätzte Funktion der Kunden. Sie spuckt in kürzester Zeit für jedes Produkt den aktuell tiefsten Preis des Händlers sowie des Privatanbieters (falls vorhanden) aus. Interessant dabei ist der Unterschied zwischen deutschen und Schweizer Kunden. Die Kunden in Deutschland sind deutlich preisaffiner, dort geht es oftmals darum, den günstigsten Preis zu finden und ein Schnäppchen zu machen.

Die Schweizer Kundschaft dagegen ist nicht so preissensitiv und hält eher noch «ihrem» Händler die Treue. Es geht diesen Kunden mehr darum, zu sehen, ob der verlangte Preis in einem vernünftigen Range liegt und vor allem auch, ob das Produkt noch verfügbar ist.

[Carpathia] Seit wann verkauft ihr online und was bedeutet dies für euch?

[Chris Tuchschmid] 2015 sind wir mit Whiskypirat und Rumpirat gestartet. Betrachtet man die Portale aus reiner Kostenperspektive, so rentiert sich dies nicht.

Für uns ist Whiskypirat aber mehr als ein reiner Kostenposten: Es ist unser Experimentierlabor, das uns in anderen Projekten weiterhilft.

Hier können wir ausprobieren: Was zahlt wie ein auf das Google-Ranking, welche Parameter müssen wir ändern, um besser im organischen Ranking zu werden? Wie verhalten sich Besucher bei Content-Veränderungen und Funktionsanpassungen. Wie verändert sich das Besucherverhalten in Bezug auf Endgeräte (Mobile, Desktop, Tablet)? Die digitale Welt bleibt dynamisch und stellt immer neue Anforderungen an Onlineshops.

[Carpathia] Welches sind aktuell eure wichtigsten Erlösquellen und wie akquiriert ihr neue Kunden?

[Chris Tuchschmid] Dies sind zum einen die Tiefpreisangebote, welche wir via Händler über Dropshipping auf Whiskypirat anbieten. Zum anderen ist das der Affiliate-Anteil, wo wir durch Produkt- und Händlerlistungen im Falle eines erfolgreichen Verkaufs beim Händler selbst Kommissionen verdienen.

Zukünftige Kanäle könnten bezahlte Produktplatzierungen sowie Weitergabe von analytischen Daten zu Produktansichten und Sucheingaben für Trends sein. Dies wird aber aktuell nicht forciert.

Für die Kundenakquise ist der organische Traffic von Google für uns am wertvollsten. Auch die wöchentlichen Newsletter an unsere Kunden bewähren sich. Diese sind ein guter Reminder. Ebenfalls haben wir bei Facebook eine grössere Community, doch seit Facebook die Algorithmen geändert hat, hat dieser Kanal für uns an Wert verloren.

[Carpathia] Welches waren für euch die grössten Learnings und Fehler mit Whiskypirat?

[Chris Tuchschmid] Wir haben mit den Funktionserweiterungen und der ständigen Optimierung von Whiskypirat sehr viel gelernt.

Über den Zeitverlauf der letzten Jahre gesehen, finde ich es sehr spannend, wie sich das Verhalten der Kunden geändert hat.

Die Umlagerung der Devices von Desktop auf Mobile konnten wir an unserem Piraten schön mitverfolgen.

Die Umlagerung fand dabei direkt vom Desktop auf die Smartphones statt, ohne einen Zwischenstopp über die Tablets einzulegen.

Könnte ich nochmals von vorne beginnen, so würde ich ein Produkt nehmen und Services für verschiedene Anspruchgruppen darum herum bauen. Bei Whiskypirat sind die Services erst langsam mit der Zeit dazu gekommen, darauf würde ich viel stärker fokussieren. Denn alleine über das Produkt kann man sich von den Mitbewerbern nur schwer unterscheiden. Die Services aber machen einem schwerer kopier- und imitierbar.

[Carpathia] Was ist noch heute eure grösste Herausforderung mit Whiskypirat?

[Chris Tuchschmid] Von Beginn weg sind die gesetzlichen Bestimmungen unsere grösste Herausforderung und auch unsere grösste Einschränkung.

Dabei gibt es mehrere Sachen, die beachtet werden müssen. So dürfen in der Alkoholwerbung keine Vergünstigung versprochen werden oder preisvergleichende Angaben gemacht werden (wenn man das Produkt selbst verkauft). Auch der Verweis auf eine zeitliche Limitation ist unzulässig.

Unweigerlich standen wir da vor der Frage: Wie macht man Werbung für eine Tages-Schnäppchenplattform, ohne dabei den Vorteil des günstigen Preises nennen zu dürfen? Oder noch vielmehr, kann dann überhaupt das Geschäftsmodell funktionieren?

Ein schöner Sonnenuntergang im Hintergrund zu einem Glas Whisky  wird in der Alkohol-Werbung nicht toleriert.

Denn die Werbung mit Alkohol darf nicht emotional sein. Das beginnt bereits damit, dass keine allgemeinen Landschafts-Hintergründe gezeigt werden dürfen. Im Werbeleitfaden der Eidgenössischen Zollverwaltung wird gar aufgezeigt, welche Hashtags und Links erlaubt sind, resp. welche nicht.

Wir mussten einiges an Lehrgeld bezahlen, die Händler und Mitbewerber zeigen einen bei Verstössen auch fleissig an. Am Anfang wollten sie uns vom Markt weghaben, doch wir haben unser Geschäftsmodell stetig angepasst und dazugelernt.

[Carpathia] Habt ihr Konkurrenz aus dem Ausland und wie geht ihr damit um?

[Chris Tuchschmid] Aus dem Ausland haben wir wenig bis keine Konkurrenz. Das Importieren von Spirituosen ist mit all den Zollformalitäten mit Aufwand und Kosten verbunden, der sich für das Versenden von einzelnen Flaschen kaum lohnt. Hier spielt es uns wieder in die Hände, dass der Alkoholverkauf ein stark reglementierter Markt ist.

[Carpathia] Wie hat sich COVID19 bei euch ausgewirkt?

[Chris Tuchschmid] Corona hat bei uns einen enormen Boost gegeben. Das hat mich sehr überrascht. Vielleicht haben sich auch alle zuhause betrunken 😉.

Wichtig für mich ist, dass wir die erreichten Zahlen halten können. Im Vergleich März bis Juni 2021 ist dies der Fall:  In zwei Monaten liegen wir leicht über dem Vorjahr, in einem Monat konnten wir die Zahlen halten.

[Carpathia] Sind weitere «Piraten» geplant?

[Chris Tuchschmid] Wir haben jetzt mit Whiskypirat über die Jahre eine umfassende Plattform geschaffen, die funktioniert. Als nächstes werden wir Rumpirat auf den selben Stand aktualisieren. Neue Piraten können wir sehr schnell aufsetzen, dafür würden wir einen bestehenden klonen. Der Antrieb dazu kommt aktuell aber nicht von uns aus, sondern müsste über einen grösseren Händler oder Produzenten kommen.

[Carpathia] Du hast die Wahl. Wen nominierst du für das nächste Interview?

[Chris Tuchschmid] Lee Sport (whey-protein.ch) machen einen sehr guten Job. Die Produkte sind von hoher Qualität aber auch die Beschreibungen und den ganzen Content rundherum finde ich beeindruckend. Die Lieferungen kommen wirklich schnell und der Kundensupport glänzt ebenfalls.

[Carpathia] Was würde Dich am meisten interessieren? Welche Frage sollen wir stellen?

[Chris Tuchschmid] Am meisten interessiert mich, wie sie es schaffen, ihre Glaubwürdigkeit gegenüber dem Thema Ergänzungsnahrung unter Beweis zu stellen um in einem so kompetitiven Markt erfolgreich zu sein.

Aber auch, wie sie begonnen haben und was ihr erstes Produkt war, fände ich spannend zu wissen.



1 KOMMENTAR

  1. Spannendes Interview! Wäre spannend, zu beobachten, ob sich die Schnäppchen-mentalität auch in der Schweiz noch mehr verbreitet.

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