Spätestens seit Zalando im Oktober 2020 das Schweizer Startup Fision gekauft hat, geistert die Vision der «digitalen Anprobe» in der E-Commerce-Szene herum. Zu Recht, denn ein Feature, womit Kundinnen die optimale Passform sicherstellen können, noch bevor das Paket geliefert wird, würde nicht nur die User Experience steigern, sondern auch zu massiven Kosteneinsparungen beim Fashion-Riesen führen. Viele unnötigen Retouren könnten eingespart werden: Bei Zalando liegt die Retourenquote über alle Märkte hinweg bei rund 50 %, etwa ein Drittel davon dürfte grössenbedingt sein.
Grössenberatung mit eigenen Körpermassen
Zwar ist das Feature noch nicht der 3D-Avatar, der «digitale Zwilling», von dem im Zusammenhang mit der digitalen Anprobe immer wieder die Rede ist, doch es ist auf jeden Fall ein erster grosser Schritt in diese Richtung und Zalando ebnet damit den Weg zur personalisierten virtuellen Umkleidekabine weiter. Trotz dieses Meilensteins kommt das Feature sehr unscheinbar daher (und vorerst für die Kategorien Kleider und Damenoberteile). Zu finden ist es auf den Produktdetailseiten über dem Dropdown für die Grössenauswahl.
Wie schon zuvor mit dem altbekannten Grössenberatungs-Feature ist weiterhin eine Grössen-Empfehlung von Zalando zu erkennen. Der Hinweis ist farblich etwas hervorgehoben (Abbildung 1). Beim Klick auf den Link «Warum?» erscheint das Pop-up (ebenfalls wie gehabt) mit der Erklärung, wie diese Empfehlung entstanden ist (Abbildung 2). Neu findet sich unter dieser Erklärung nun der Einstieg zum Feature, um sich die eigenen Körpermasse zu nehmen.
Wir verzichten darauf, das Feature hier im Text Schritt für Schritt zu erklären, sondern empfehlen an der Stelle unseren Leserinnen und Lesern, es selbst auszuprobieren. Hervorzuheben ist, dass das Feature sehr einfach nutzbar ist, was nur erahnen lässt, wie lange daran entwickelt wurde, zumal Einfachheit bekanntlich aufwändiger ist als Komplexität.
Die Nutzerin kann sich ohne fremde Hilfe und mit nur zwei Fotos die Masse nehmen und benötigt dazu nichts anderes als das Smartphone, enge Kleidung, einen gut geeigneten Spot mit guten Lichtverhältnissen und kontrastreichem Hintergrund. Die Ermittlung der individuellen Körpermasse dauert nur wenige Sekunden. Währenddessen werden die beiden Fotos auf dem eigenen Smartphone lokal zwischengespeichert und nach Abschluss des Vorgangs direkt wieder gelöscht.
Nach dem Vermessungsvorgang werden die Masse im Kundenkonto im Bereich «Über dich» unter «Deine Grössen» hinterlegt und können ab dann beim Shopping mit einbezogen werden. Weitere Erklärungen zum Feature gibt es übrigens auch auf der entsprechenden FAQ-Seite. Die nachfolgenden Screenshots geben einen Eindruck vom «Vermessungsvorgang» via Smartphone.
Das Tool stärkt Zalandos Position als Plattform
Welche Auswirkungen hat nun dieses Feature auf den Mode-Handel? Natürlich kann man argumentieren, dass das neue Feature nur eine Weiterentwicklung der bisherigen Grössenberatung ist. Aber es ist mehr als das: Die gesammelten Daten aus dem «Body Measurement Tool» sind exakte Abmessungen der Körpergrössen von Nutzerinnen und daher präziser als diejenigen, worauf die bisherigen Grössenempfehlungen beruhten.
Das neue Feature wird nicht nur, wie am Anfang des Beitrags erwähnt, zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit und Kosteneinsparungen bei den Retouren führen, sondern auch Zalandos Partnern einen Mehrwert bieten. So unscheinbar dieses Feature aktuell daherkommen mag: Es ist als massgeblich für Zalandos Positionierung als Plattform und «Starting Point for Fashion» zu werten.