…oder ist der Schweizer E-Commerce immer noch im Winterschlaf? Ich weiss, der Winter war lang, aber diese Zahlen sind doch eher besorgniserregend!
Denn noch im vergangenen Jahr legte der Onlinehandel in der Schweiz um 8.7% zu bei insgesamt um nahezu 10% tieferen Preisen. Im ersten Quartal weisen die Onlinehändler in Deutschland ein Plus von 17.7% auf, die PurePlayer legten gar ein rasantes Wachstum von satten 31.2% hin.
Allen voran Amazon und Zalando mit unglaublich starken Ergebnissen und Umsatzwachstum in den ersten 3 Monaten in diesem Jahr:
- Amazon mit einem Umsatzwachstum von 28%
- Zalando weist ebenfalls ein Plus auf von ca. 23.5%
Und wie ging es im gleichen Zeitraum den Schweizer Händlern?
Alarmierende Zahlen von Schweizer Händlern
Der Verband des Schweizerischen Versandhandels spricht nun von einem durchzogenen 1. Quartal 2016. Und das ist doch irgendwie gelinde ausgedrückt!
Sein monatlich durchgeführter Distanzhandels-Marktmonitor weist pro Sortimentsbereich einen indexierten Wert ggü. dem Vorjahres-Monat aus.. Rsp. die kumulierten Zahlen ggü. dem Vorjahr. Und die Zahlen geben zu denken:
Wie überall gibt es auch im E-Commerce Gewinner und Verlierer. Uns sind einige Gewinner namentlich bekannt was uns alarmiert, wie wohl die Situation bei den Verlieren sein muss, wenn sich die Indexwerte durch’s Band weg so ernüchternd darstellen.
Dem Marktmonitor liegt ein Gesamtumsatz von CHF 3.6 Mrd. von 100 Unternehmen zugrunde und gilt als Fieberthermometer der Online-Handels-Branche. Leider liefert ein Zalando (noch) keine Zahlen ein (Zalando gibt keine Zahlen für einzelne Länder bekannt) und auch die Auslandseinkäufe (Amazon, Aliexpress) werden unterjährig nicht erhoben. Das ist zwar bedauerlich, macht die Zahlen aber spannender, da sie einen Einblick in die recht anspruchsvolle Situation des Schweizer Handels geben.
Dramatische Situation bei Fashion (online)
Der Stationäre Handel leidet derzeit gerade im Modebereich sehr und es vergeht kaum ein Monat, wo nicht ein weiterer Händler zur Aufgabe gezwungen wird (Mortalitätsrate im stationären Schweizer Mode-Handel steigt).
Doch bei den Schweizer Fashion-Onlinehändlern sieht die Situation nicht viel besser aus. Wir haben bereits geschätzt, dass dieser Bereich zu ca. 75% in ausländischer Hand ist, genau umgekehrt wie bei den Elektronikversendern:
Alleine der Zalando-Umsatz schätzen wir für 2015 breit abgestützt auf satte CHF 425 Mio. Wenn das von Zalando für das 1. Quartal bekannt gegebene Wachstum auf die Schweiz übertragen werden kann und es über den ganzen Jahresverlauf gehalten werden kann, zügelt alleine Zalando 2016 weitere CHF 100 Mio. aus dem Schweizer Markt ab.
Insofern erstaunt es wenig, dass gerade Fashion-Versender dramatisch tiefe Werte gegenüber dem Vorjahr ausweisen. Oder wie der VSV selber kommentiert:
Zum einen hinterlässt der 15. Januar 2015 doch mehr Wirkung als gemeinhin angenommen. Das Preisniveau im Fashion-Handel ist gewaltig unter Druck geraten. Wer online ganz genau hinschaut, der findet mittlerweile Markentextilien zum fast gleichen Preisniveau wie in Deutschland. Es ist nur logisch, dass damit einerseits Indexzahlen rückläufig sind und Umsätze wegbrechen, andererseits aber auch „optimierte“ Einkaufsgewohnheiten getrieben werden. Unsere schon etwas ältere These „Gleiche Preise für vergleichbare Produkte dank Internet“ scheint sich durchzusetzen – trifft halt aber den Schweizer Handel mit voller Wucht.
Gewinner und Verlierer Sortimente
Schaut man sich die weiteren Sortimentsbereiche an, dann fällt folgendes auf:
- Multimedia/IT der mit Fashion grösste Sortimentsbereich kommt wenig vom Fleck und ist auf Vorjahresniveau. Sind da die grossen Wachstumsperioden bereits vorbei? Gerade dieser Bereich zeigt sich grundsätzlich am widerstandsfähigsten gegenüber dem Auslandeinkauf, da er hardware-seitig relativ gut geschützt ist rsp. das Preisniveau in der Schweiz ggü. dem Ausland attraktiv ist (vgl. auch „Exchanges“ Podcast – Der Schweizer Handel von morgen)
- Uhren & Schmuck zeigt ein konsistentes Wachstum und liegt nahezu 20% über Vorjahr. Wohl noch auf tiefem Niveau. Doch der Aufbruch in dieser Branche startet erst gerade.
- Home & Living wie auch Freizeit/Hobby/Spielwaren sind sichere Werte und Wachstumstreiber wenn auch nach wie vor auf tiefem Niveau. Auch hier sind neue Player am Markt. Die starken Online-Player jedoch mehrheitlich aus dem Ausland mit Ausnahme zB von Beliani in der Schweiz.
- Lebensmittel legt weiterhin moderat bis stark zu mit einem Wachstum, das bislang in etwa demjenigen des Vorjahres entspricht.
Auslandeinkauf trifft auch Online mit voller Wucht
Der primär vom stationären Handel immer wieder kritisierte Auslandeinkauf scheint nun auch den Onlinehandel verstärkt zu treffen. Und dies wohl oft gar nicht mal im Bewusstsein der Käufer. Denn Online kennt keine Grenzen. Transparenz und Vergleichbarkeit ist gewährleistet und die internationalen Player haben die Schweiz schon länger für sich entdeckt.
Denn in der Schweiz sind immer noch interessante Margen zu erzielen bei gleichzeitig tieferen Kostenstrukturen, wenn mehrheitlich zB aus dem europäischen Ausland operiert werden kann. Einzige Kosten, welche in der Schweiz anfallen sind primär Logistik-Kosten und Marketing-Spendings.
Internationale Shops sind mittlerweile oft so gut „helvetisiert“, dass es einem Schweizer Konsumenten schon mal schwer fällt zu bemerken, dass er im Ausland einkauft. Und wenn diese internationalen Händler dann noch schneller als die Schweizer Mitbewerber liefern können, hat so mancher Schweizer Onlineshop schlicht seine rudimentären Hausaufgaben nicht gemacht und überlässt nicht nur diesbezüglich das Feld der internationalen Konkurrenz.
Es scheint nun an der Zeit, nicht nur den stationären Handel mit regelmässigen Weckrufen zu motivieren, sondern zusehends auch die Schweizer Onlinehändler, allen voran die Omni-Channel Akteure!
„Quo Vadis Swiss E-Commerce?“ heisst das erste Panel an der grossen E-Commerce Connect Konferenz kommende Woche am 11. Mai in Zürich. Wir freuen uns, auf dem „Milliarden-Panel“ Vertreter zu begrüssen, die zusammen fast 2 Milliarden Online-Umsatz erzielen und Millionen von Paketen pro Jahr versenden.
Die Konferenz ist nahezu ausverkauft. Es sind noch wenige Karten in den letzten Ticket-Kontingente im Vorverkauf. Die Platzzahl ist beschränkt im Kaufleuten Zürich.