Amazon, Protz und Marshmallows – Tut der Wandel im Handel weh?

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Die E-Commerce Connect Conference und die Swiss E-Commerce Awardverleihung sind seit ein paar Wochen Geschichte. Der Sommer zeigt sich zumindest temperaturmässig von seiner freundlichen Seite und die Schweiz hat ein digitales Manifest.

Alles gut also?

Oder bereitet der Wandel im Handel nicht doch vielen Beteiligten Schmerzen? Dieser Frage ging André Morys, Gründer und Chief Entertainment Officer von WebArts, in seiner Keynote auf den Grund.

Für eilige Leserinnen und Leser hier die Antwort in drei Worten:

Ja, und wie!

(Und zwar mitnichten nur bei den Händlern selber. Auch die Online-Kunden – verwöhnt von Booking.com, Amazon und anderen, die das Thema Customer Experience in immer höhere Sphären schrauben – müssen leiden.)

Für alle anderen mit etwas mehr Zeit und Musse erörtern wir die launigen Elaborationen des Conversion-Papsts, gerne etwas ausführlicher.

Der Spiegel, den Morys der versammelten Digitalprominzenz im Saal vorhält, zeigt keinen wirklich schönen Anblick. Das vielerorts praktizierte Innovationstheater – „Wir machen erstmal ein (hier Tech-Buzzword Deiner Wahl einfügen)“ – hält Unternehmen noch zu oft davon ab, das zu tun, was eigentlich nötig wäre.

How to grow like Amazon?

Diese am 31. Mai 2017 auch in den Pausen oft diskutierte Frage greift der Redner ganz früh in seinem Vortrag auf und vergleicht das Thema mit Teenager-Sex. Jeder spricht darüber, niemand weiss wirklich, wie’s denn funktionieren soll. Experimente – und zwar nicht 1-2 sondern 2000, verkündet Morys ein mögliches Rezept (Nicht an Teenager, sondern die Online-Community gerichtet!). Jeff Bezos, CEO von Amazon, sieht darin, den Schlüssel zu Wachstum, weil er so den Fokus der Organisation zu 100% auf dem Kundenerlebnis hält.

Wenn Du tot bist, wird das zum Problem der anderen.

Genauso verhält es sich auch, wenn ‚man‘ dumm ist. Denn die betroffene Person (oder davon betroffene Institutionen wie Arbeitgeber oder Kunde) merkt in aller Regel ja gar nichts von diesem ihr angehefteten wenig schmeichelhaften Attribut. Oder dann eben viel zu spät – auf die aktuelle Situation im Handel übertragen, meist erst dann, wenn das Unternehmen schon (fast) tot ist. Vor diesem tragischen Schicksal sind auch (einstmals) grosse Namen nicht gefeilt, wie Morys am Beispiel des Computerherstellers Dell darlegt. Deren Online User-Journey enthält derart viele Hürden und Konversionkiller, dass es viel Leidensfähigkeit oder eben Schmerz braucht, um dort z.B. einen Notebook zu bestellen. Ganz anders die Belohnungs-fokussierte Journeys bei Booking.com und Amazon. „Gratuliere! Du hast den besten Preis gefunden.“ (bei Genius oder Prime-Kunden), „Jetzt mit 1-Click kaufen und XY ist übermorgen bei Dir!“, „Kein Risiko – Gratis Rückgaberecht bzw. Stornierung“ sind irgendwie tatsächlich netter als sich seitenweise durch AGBs zu kämpfen wie bei Dell. Warten ist Schmerz – das bewies das Marshmallow Experiment (Google it!), und zwar Jahre vor diesem Internet.

Ob der André Morys gerade wegen dem Dell Bashing seinen Macbook auf der Bühne liegen liess? Man weiss es nicht. Etwas aber wissen wir mit Bestimmtheit – seine aufgezeichnete Keynote ist wie gemacht dafür, sich an einem lauen Sommerabend Inspiration und konkrete Handlungsempfehlungen reinzuziehen, bevor uns der Alltag wieder gefangen nimmt nach dem Ferienende.

 

 



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