Dass sich die Schweizer Post am boomenden E-Commerce erfreut ist alleine schon der Tatsache geschuldet, dass sie bei jedem Paket (und auch bei jeder Retoure) am Porto verdient und damit auch den schwindenden Briefversand wettmachen kann oder muss.
Vergangene Woche stellt die Post gleich mehrere neue Innovationen vor, welche die Dienstleistungen auf der letzten Meile im E-Commerce vor allem für die Online-Käufer attraktiver macht.
Login Post Connector
Getreu den Social-Logins wie Facebook, Google+, LinkedIn oder Twitter will die Post in der Schweiz ein E-Commerce Login etablieren, bei dem man sich über ein einheitliches Login bei den Onlineshops anmelden kann. Ähnlich auch, wie dies die Migros-Onlineshops mit dem M-Connect praktizieren.
Der Vorteil am Post-Login ist denn auch, dass damit das ganze Adress-Management vereinheitlicht wird und zudem die Post die CH-Adressen für die Händler validiert. Zudem werden Empfangsoptionen wie MyPost 24, PickPost, Abend-/ Samtstags-Zustellung etc. via die Connector-Verbindung im Shop automatisch zur Verfügung stehen.
Anderseits verlieren die Händler damit an Autonomie und ein zusätzliches Login gerade im Checkout ist immer kritisch. Vor allem grosse Händler dürften da eher zurückhaltend sein. Doch das Angebot der Post richtet sich auch primär an kleine und mittelgrosse Anbieter.
Sendungs-Cockpit – der Kunde am Schalthebel
Wirklich interessant ist das neue Sendungs-Cockpit auf welches nicht nur obiger Connector zugreift. Einerseits erfolgt das gesamte Adressen-Management durch den Kunden in diesem Cockpit.
Anderseits bietet es dem Kunden eine Übersicht über all Pakete und eingeschriebenen Briefe und in einem ersten Schritt die Möglichkeit, verpasste Sendungen zu steuern. Beispielsweise sollen die Kunden für verpasste Pakete online eine zweite Zustellung am Abend verlangen – dann, wenn sie zu Hause sind.
In einem weiteren Schritt, so der Plan, sollen Post-Kunden im Laufe von 2016 die vollständige Steuerung all ihrer Pakete und eingeschriebenen Briefe erhalten: nicht nur der verpassten Sendungen, sondern auch Sendungen, die noch unterwegs sind.
Konkret bedeutet dies: Sobald ein eingeschriebener Brief oder ein Paket auf dem Weg zu einem Kunden ist, wird ihm die Sendung im Sendungscockpit angezeigt. Bei jeder Statusänderung erhält der Kunde eine Benachrichtigung via SMS oder E-Mail.
Dadurch muss er sich nicht aktiv im Sendungscockpit erkundigen, ob eine Sendung zu ihm unterwegs ist. Sobald eine Sendung in der Übersicht angezeigt wird, können die Kunden sie umleiten, falls ihnen der hinterlegte Lieferort oder -zeitpunkt nicht passt. Die Flexibilität steigt deutlich.
Sonntags-Zustellung und mehr Paket-Automaten
Im Oktober soll in einem Test die Sonntagszustellung starten. Der Test findet in den Städten Zürich, Genf, Lausanne und Basel in Zusammenarbeit mit Top-10 Onlineshops statt. Da laut Gesetz die Post am Sonntag (noch) nicht direkt zustellen kann, übernehmen Transportpartner die Zustellung. Verläuft der Test erfolgreich, so die Post, sei geplant, im Jahr 2016 die Sonntagszustellung für Geschäftskunden in ausgewählten Städten einzuführen.
Auch die Anzahl der MyPost24 Paket-Automaten werde spürbar erhöht und deren Leistungen sukzessive erweitert auf bspw. Abholen eingeschriebener Briefe. Ebenfalls soll die Anzahl der PickPost-Stellen massiv erweitert werden von derzeit rund 700 auf über 2400 Standorte.
Fazit – Kundenbindung durch Liefersteuerung
Nach jahrelangem Service-Abbau fährt die Schweizer Post seit gefühlten 2-3 Jahren eine eigentliche Charme– Service-Offensive in der Paketzustellung. Auch die Post hat wohl analysiert, dass ihre künftigen Erträge bei den Zustellservices aus dem Paketsegment kommen werden.
Aber auch die Konkurrenz schläft nicht (DPD mit Predict oder Also mit MyDelivery) – allen ist gemeinsam, dass man die Steuerung der Zustellung an den Kunden delegiert. Denn aus diversen Umfragen wissen wir, dass (noch) nicht die Schnelligkeit match-entscheidend ist, sondern die Zuverlässigkeit und die spontane Umdisponierung, initiiert durch den Kunden selber.
Nach Rückfrage sieht die Post diese Innovationen denn auch als optimales Kundenbindungsmittel, verstärkt bei Shops einzukaufen, welche auf die Logistikleistungen der Post setzen. Und die Händler anderseits wiederum, werden an die Post und deren Tarifstrukturen gebunden via den Druck der Kunden. Die Rechnung könnte aufgehen (für die Post).
Aber auch Kostenüberlegungen scheinen eine Rolle zu spielen. Denn dadurch, dass der Kunde die Zustellung steuert, steigt der Anteil an Paketen, welche bei der Erstzustellung erfolgreich geliefert werden können.
Und noch ein weiterer Aspekt spielt eine Rolle; branchenfremde Anbieter drängen in den Markt die über Peer-to-Peer Technologien einen Anteil am Paketkuchen abschneiden wollen. Uber, Google oder Amazon, die letzte Woche den Flex Service gestartet haben (Privatleute liefern Pakete aus wie bei Uber), der bald auch in Deutschland verfügbar sein soll.
Wie eingangs erwähnt, richten sich die neuen Services primär an die Onlinekunden / Paketempfänger und gestalten den Onlineeinkauf für diese attraktiver. Ob die Händler nachziehen, wird sich erweisen.
Wenn die Kunden die Dienste annehmen und nachfragen, werden die Händler wohl mitziehen müssen. Denn die Post macht sich via Delegation der Steuerung an die Kunden unverzichtbarer auf der letzten Meile, wie nachfolgender witziger Spot ebenfalls schön zeigt.
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Ich bin mir sicher, dass sich in den nächsten Jahre beim Thema Paketzustellung noch viel tun wird. Dass Drohnen die Pakete abwerfen, denke ich zwar nicht, aber die zeitliche Zustellung wird genauer werden. Noch viel mehr Potenzial hat der Versand, da ist noch viel Platz für weitere Dienstleistungen.
Grüße Jan
Für skeptische Kunden oder Händler lassen sich einzelne Services auch separat in die E-Shops integrieren. Zum Beispiel der Adress-Checker wird für alle Händler wertvoll sein.