Baumarkt-Rallye 2. Runde: OBI startet online in der Schweiz mit mangelhafter Helvetisierung [Quick-Review]

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Mit OBI ist ein weiterer Baumarkt diese Woche online gegangen, nachdem vor rund 2 Jahren die grosse Baumarkt-Rallye mit Coop Bau + Hobby wie auch mit Migros DoIt + Garden gestartet wurde.

Der Online-Countdown hatte es schon vor Wochen angekündigt und den gespannt wartenden User dann um Mitternacht ratlos gelassen, weil nicht das Angekündigte passiert ist.

Am Dienstag 5. Juli ca. 10 Uhr war es dann soweit und der fleissige Schweizer Heimwerker hat ein weiteres Sortiment zur Verfügung, wo er sich online bedienen kann. Gestartet ist man mit 20’000 Artikeln. Der Shop dürfte ebenfalls auf Hybris basieren und ist auf den ersten Blick eine 1:1 Kopie der deutschen Plattform.

Startseite des neuen Onlineshops von OBI
Startseite des neuen Onlineshops von OBI

Die Services gestalten sich  noch verhalten. So ist erst ein sog. Click & Reserve möglich, also die Reservierung der bestellten Ware im Baumarkt seiner Wahl. Gut möglich, dass die Versand-Logistik noch nicht soweit ist.

Es darf jedoch erwartet werden, dass wie in Deutschland rsp. bei den Schweizer Mitbewerbern üblich, das Standard-Programm mit Heimlieferungs-Optionen und Click & Collect sukzessive eingeführt wird.

Mangelhafte Helvetisierung

Wie man bereits beim Start von Hornbach gut beobachten konnte ist es sehr verführerisch, per-se das deutsche Sortiment inkl. den Informationen in den Schweizer Onlineshop zu pumpen.

Gerade im Baumarkt und DoIt Bereich gibt es punktuell doch deutlich unterschiedliche Bezeichnungen, welche sich sprachlich-kulturell unterscheiden. Deutsch ist eben nicht Deutsch sprachlich gesehen!

So förderte denn ein kurzer Sortiments-Check folgende Diskrepanzen zu Tage – im neuen OBI Onlineshop gibt es

  • 4 Imbusschlüssel- und 6 Innensechskant-Artikel
  • 95 Schraubenzieher- und 109 Schraubendreher-Artikel
  • 1 Beisszange- und 5 Kantenzangen-Artikel
  • 1 Rohrzange- und 2 Wasserpumpenzangen-Artikel
  • 0 Arbeitskleider- und 95 Blaumann-Artikel

Diese Beispiele liessen sich wohl noch beliebig weiterführen. Wir empfehlen daher jedem (deutschen / österreichischen) Onlineshop vor seinem Start in der Schweiz, seine Sortimentsbezeichnungen einer Helvetisierung zu unterziehen.

Denn wenn auch wir in der Schweiz so etwas ähnliches wie Deutsch sprechen, so bezeichnen wir viele Artikel doch unterschiedlich. Gerade im Sport- und Fashion-Bereich ist der Einfluss der französischen Sprache allgegenwärtig (Velo, Jupe, Veston etc.) – doch bleiben wir beim Baumarkt Sortiment.

Übersichtlich mit vielen Tipps & Tricks

Abgesehen von der oben dokumentierten mangelhaften Helvetisierung gestaltet sich der neue Onlineshop von OBI sehr übersichtlich und das breite Sortiment dominiert die Navigation. Informationen rund um das Unternehmen, Filialnetz etc. sind sekundär platziert und doch gut auffindbar.

Die Verzahnung mit den lokalen Verkaufspunkten ist für Baumärkte erwartungskonform und im E-Commerce generell in dieser Branche überdurchschnittlich. Aktuelle Bestände in der bevorzugten OBI-Filiale inkl. Abholbereitschaft innert weniger Stunden.

Ebenfalls zeigt OBI zahlreiche Tipps & Tricks und spielt hier die „Karte“ Content Commerce gekonnt wie übrigens auch die anderen Mitbewerber. Baumärkte sind ein exemplarisches Beispiel, wie mit gutem Content Kompetenz kommuniziert werden kann.

Auch komplexere Berechnungen wie benötigte Menge Laminat für die gewünschte Fläche bei vorgegebenen Verpackungseinheiten werden nutzerfreundlich und erwartungskonform gelöst.

Noch nicht auf dem Niveau der Schweizer Mitbewerber ist OBI im Bereich der Online-Dienstleistungen wie bspw. Zuschnitt-Service wo noch auf die stationären Verkaufspunkte verwiesen wird. Diese sind jedoch auch nicht auf der deutschen Plattform verfügbar.

Ganz im Gegensatz zum Beispiel zu Coop Bau + Hobby, wo bequem auch online ein Mass-Zuschnitt initiiert werden kann. Dasselbe gilt für Migros DoIt + Garden oder auch Hornbach, dem Gewinner der Kategorie Home & Living beim E-Commerce Award 2016.

Fazit: Der mit dem Countdown spannungsvoll angekündigte Launch von OBI Schweiz mag noch nicht ganz überzeugen, da die Mitbewerber bereits sehr umfassende Angebote live haben und die Inhalte bei den Schweizern durch die mangelhafte Helvetisierung doch nur als Deutsche-Kopie abgespeist wirken.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

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