Was der Wegfall der Industriezölle für den Schweizer Onlinehandel bedeutet

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Im 2024 fallen die Industriezölle. In diesem Beitrag haben wir für unsere Leserschaft erarbeitet, was darunter zu verstehen ist und was der Wegfall der Zölle für den Schweizer Onlinehandel bedeutet.

Am Donnerstag, 17. August fand übrigens vom SECO und BAZG eine Online-Informationsveranstaltung statt. Wir haben ebenfalls daran teilgenommen, um diesen Artikel zu verfassen. Die Infos dazu und die Präsentation als PDF können hier eingesehen werden.

Die Industriezölle fallen: Worum geht es?

2017 beschloss der Bundesrat diverse Massnahmen gegen die «Hochpreisinsel Schweiz», darunter die Aufhebung von Einfuhrzöllen auf Industrieprodukte (=Industriezölle). Ab dem 1. Januar 2024 fallen also auf diesen Industrieprodukten unabhängig des Warenursprungs bei der Einfuhr in die Schweiz keine Zölle mehr an. Nicht alle Produkte sind von der Aufhebung betroffen. Welche das sind, kann auf der SECO-Informationsseite nachgelesen werden. Im Grunde sind das aber 20 Zolltarifnummern, bei denen es sich um Agrarprodukte und Fischereierzeugnisse handelt (vereinfacht gesagt: Tiere, Futter, Lebensmittel).

Von der Massnahme sollten Unternehmen wie auch Konsumentinnen und Konsumenten gleichermassen profitieren und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sollte insgesamt gesteigert werden. Wichtig hierbei zu erwähnen ist, dass die Vorlage neben dem Wegfall der Zollabgaben auch eine Vereinfachung der Zolltarifstruktur für Industrieprodukte vorsieht.

Wichtig zu verstehen ist auch, dass mit der Aufhebung am 1. Januar 2024 erstmal keine Anpassungen am Verzollungsprozess einhergehen. Allerdings wird es noch zu Vereinfachungen und Erleichterungen kommen mit der Einführung des neuen Warenverkehrssystems «Passar» im Rahmen des Transformationsprogramms DaziT und des neuen Zollrechts (BAZG-VG).

Aktuelle Situation und neue Situation ab 2024

Um die Auswirkungen der Vorlage zu verstehen, hilft ein Blick auf die jetzige Situation und dann ein Blick auf die zukünftige: Aktuell fallen beim Import bestimmter Güter in die Schweiz Einfuhrzölle an. Diese Einfuhrzölle sind abhängig vom Produkt (wird mit Zolltarifnummer beziffert), des Gewichts des Produkts (die Schweiz hat Gewichtszölle und keine Wertzölle) sowie vom Ursprungsland.

Ab 2024 fallen bei Industrieprodukten diese Einfuhrzölle weg, auch die Ursprungsnachweise müssen nicht mehr erbracht werden. Allerdings muss beispielsweise die Zolltarifnummer – neu aber nur noch 6-stellig und nicht mehr 8-stellig – und die Gewichtsangabe bei den Stammdaten weiterhin erfasst werden. Weitere Abgaben, wie etwa die MwSt. (in diesem Kontext auch Einfuhrsteuer genannt) werden weiterhin erhoben.

Die Veränderungen hinsichtlich verschiedener Elemente auf einen Blick:

Aufhebung der Industriezölle ab 2024 auf einen Blick. -- Quelle: Informationsveranstaltung zur Aufhebung der Industriezölle; Darstellung: Carpathia

Was bedeutet es für den Schweizer Händler?

Die Industriezölle wurden ursprünglich zum Schutz Schweizer Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz eingeführt. Inzwischen wurden sie ein Dorn im Auge, da sie vor allem Kosten und administrativen Aufwand bedeuten. Diverse Unternehmensverbände, wie economiesuisse oder der Verband Schweizer Detailhandelsunternehmen, die Swiss Retail Federation (Stellungnahme als PDF) haben sich deshalb für die Aufhebung der Industriezölle ausgesprochen.

Für Schweizer Händler bedeutet der Wegfall der Industriezölle grundsätzlich leicht tiefere Kosten beim Import von Waren. Diese könnten sie den Konsumentinnen in Form von tieferen Preisen weitergeben. Da aber die Zollabgaben bisher schon relativ tief waren (durchschnittliche 1.8% des Warenwerts), wird es keine massiven Preisanpassungen geben. Ausserdem wird ab 2024 die Schweizer Mehrwertsteuer von 7.7 % auf 8.1 % angehoben, was dazu führen wird, dass allfällige Preissenkungen gleich wieder dadurch wettgemacht werden. Viel wichtiger also als das Kostenargument ist das Argument der Vereinfachung des Prozesses und der damit verbundenen Senkung des administrativen Aufwands, die noch weiter vorangetrieben werden soll im 2024 mit «Passar und DaziT».

Was bedeutet es für Schweizer Konsument*innen?

Von grossen Preissenkungen für Konsumenten kann also, wie oben aufgeführt, nicht ausgegangen werden. Dies sieht auch der Verband Swiss Retail Federation so: «Da die durchschnittlichen Zollsätze für Industriegüter mit 1.8% bereits tief liegen, wäre es aber verfehlt, bei den eingeführten Gütern von einem flächendeckenden und signifikanten Preisrückgang auszugehen. Ecoplan erwartet einen Rückgang des aggregierten Konsumentenpreisniveaus (inkl. Dienstleistungen) um 0.1%.» Die grössten Preisrückgänge seien bei Textilien und Bekleidung zu erwarten.

Was bedeutet es für den Schweizer Onlinehandel?

Welche Auswirkungen hat nun die Abschaffung der Einfuhrzölle auf Industrieprodukte auf den Schweizer Onlinehandel? Werden mehr ausländische Marken und Händler in die Schweiz verkaufen? Wird der Wettbewerb erhöht?

Die Befürchtung, dass durch den Wegfall der Industriezölle die Konkurrenz von ausländischen Onlineshops oder Plattformen zunehmen wird, halten wir für unbegründet.

Erstens sind schon heute grosse und mittlere ausländische Händler in der Schweiz mit hohen Marktanteilen aktiv (bspw. Zalando). Ein paar arbeiten auch mit Cross-Border-Dienstleistern zusammen für den reibungslosen Import und die Rückführung allfälliger Retouren, welche die Zoll- und Mehrwertsteuer-Themen sowieso im Griff haben.

Zweitens wurden auch kleinere Händler und Marken, die einen einfacheren Weg in die Schweiz nehmen wollten, fündig, nämlich bei Plattformen, wie Zalando, Digitec Galaxus (einfacher Import für Lieferanten seit 2018 dank EU-Hub) oder Amazon u.a. mit dem Fulfillment by Amazon (FBA) Service. Und sogar chinesische Anbieter sind mit Aliexpress, Temu und Shein auch trotz der Einfuhrzölle schon bei uns angekommen. Wer wirklich wollte, fand also auch mit den Industriezöllen schon längst mehrere Wege, in den Schweizer Markt.

Was drittens mögliche Schweiz-Ambitionen von kleinen Händlern und D2C-Shops aus dem Ausland angeht, so fallen zwar 2024 die Zollabgaben weg, aber am Prozess ändert sich abgesehen davon, dass der Ursprungsnachweis nicht mehr erbracht werden muss und die Zolltarifnummern vereinfacht sind, vorerst nichts. Des Weiteren bleibt der Prozess mit der MwSt. und die Schweiz behält weiterhin ihre anderen «natürlichen Barrieren», wie etwa die Mehrsprachigkeit oder die eigene Währung. Wer als ausländischer Onlinehändler Cross-Border in die Schweiz also schon jetzt nicht im Griff hat und damit Schweizer Kunden verärgert (dieser muss den administrativen Aufwand für Verzollung selbst bezahlen und wir das weiterhin tun müssen), dem wird auch diese Vorlage nicht helfen.



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