Die Stadtentwicklung der Stadt Zürich setzt sich löblicherweise seit einiger Zeit intensiv mit dem Handel im Wandel auseinander und hat heute im Rahmen einer Veranstaltung die Studie dazu vorgestellt.
Die umfangreiche Analyse ist als Denkmodell für den Detailhandel gedacht und berücksichtigt die globalen Faktoren Wirtschaft, Gesellschaft und technologische Entwicklung sowie die lokalen Faktoren Politik, Infrastruktur und Raum, immer wieder mit dem Hinweis, dass vieles davon nicht beeinflussbar ist.
Basierend darauf werden fünf Szenarien entwickelt:
- Back to the Roots
Bewusster Konsum in der kompakten Stadt - On the Way
Die Strasse als Einkaufszentrum - Hybrid
Plarisierung von Erlebnis und alltag - Digital Paradise
Digital vernetzte Erlebnisinseln - Brutal Digital
Die Stadt im vollautomatisierten Logistiknetz
Die Wortwahl von Szenario 5 lädt zum Nachdenken ein, einerseits über die Studienautoren und anderseits, wie realistisch man dieses Szenario sehen möchte.
Das ist schade, denn die Zukunft wird brutal für den Detailhandel, wenn er sich von den traditionellen Denkmustern nicht verabschiedet. In unserer Serie Retail-Vision beschäftigen wir uns parallel dazu mit Wegen aus der Sackgasse.
Altes Denkmuster
Ein erstklassig besetzes Podium aus Detailhandel, Politik und Raumplanung (PDF) diskutierte die aktuelle Situation im Detailhandel und streifte die obigen Szenarien.
Der Themen-Bogen spannte sich während der rund 60-minütigen Diskussion vom Strukturwandel, Leerständen, Standortproblemen, politischen Rahmenbedingungen, Anforderungen des Handels bis hin zu erschwerten Bewilligungsverfahren im Bauwesen.
Nur ein Thema wurde nicht angeschnitten: der Kunde!
Und das scheint wiederum symptomatisch für die aktuelle Situation. Man beschäftigt sich mit Rahmenbedingungen, politischen Herausforderungen und gerne mit sich selber.
Wären die 5 grössten Onlinehändler auf einem Podium, würde sich die Diskussion wohl um Themen wie Kunden-Akquisition und -Loyalität, Service- und Execution-Excellence, Kundendaten-Analyse, Marktentwicklung, Innovation etc. drehen. Der Kunde und seine Bedürfnisse immer und konsequent im Fokus.
Dass man sich nicht intensivst mit dem Kunden auseinandesetzt, bleibt mir schleierhaft. Umso mehr im Wissen, dass bereits in knapp 3 Jahren die Digital Natives die Mehrheit der aktiven Bevölkerung der Schweiz stellen werden (Nächste Generation ermöglicht Onlineanteil am Detailhandel von 50%).
Und diese Kunden kennen die alte Welt des Detailhandels nicht mehr, welche heute noch von so vielen Ladenkonzepten repräsentiert wird.
Denn der Druck auf den Detailhandel und die Innenstädte kommt nicht vom Onlinehandel, sondern durch das drastisch veränderte Kundenverhalten.
So viel zum Unterschied zwischen Symptomen und Ursachen.
Der Onlinehandel erfüllt anscheinend einfach die Bedürfnisse der Kunden aktuell besser als der Detailhandel.
Sich von alten Denkmustern zu verabschieden kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Im gestrigen Artikel (Verleibende Stärken identifizieren und fokussieren) versuchte ich darzulegen, wie sich die Rolle des stationären Detailhandels verändert hat.
Und der Retail tut gut daran, seine neue Rolle möglichst schnell zu antizipieren, denn die Welt des Kunden hat sich radikal verändert.
Oder ein oft gehörtes Zitat (Urheber unbekannt) entsprechend adaptiert:
Der Detailhandel ist mit sich selber beschäftigt, derweil sich der Onlinehandel mit dem Kunden beschäftigt.
Die NZZ hat sich am Wochenende im Vorfeld ebenfalls der Studie angenommen. Interessant folgende Passage:
Auf die Frage, ob das Handels- und Wirtschaftszentrum der Schweiz nicht vielmehr zur «Stadt der perfekten Logistik» werden müsste, wo der Warenverkehr fliesst und möglichst effizient abgewickelt werden kann, meint die Verantwortliche der Stadt Zürich:
Wo es hingeht, müssen letztlich die Politik und die Wirtschaft entscheiden.
Das sehe ich anders, entscheiden wird der Kunde. Oder um Jeff Bezos, Gründer von Amazon und derzeit reichster Mensch der Welt, zu zitieren:
Determine what your customers need, and work backwards.
Mehr Kundenorientierung würde dem Detailhandel wahrhaftig gut anstehen.
Podium zum #wandelimhandel der @stadtzuerich läuft schon mehr als 30min. Es wird über Fläche, Politik, Wirtschaft, Administration geredet. Und keiner redet vom Kunden! Das ist der Unterschied zu den Onlinern von Amazon bis Zalando. pic.twitter.com/LGqQAbx898
— Thomas Lang (@thlang) 4. Dezember 2017
Die Studie kann bei der Stadt Zürich kostenlos heruntergeladen werden.
Es ist tragisch, wenn sogar Leute vom Handel mitreden und sogar bei diesen Fachleuten und Kenner des Handels der Kunde nicht vorkommt. Das ist jedoch kein Einzelfall. Sieht man die Konkurrenz welche ebenfalls orange im Logo hat, welche noch nicht einmal die Warenhäuser online haben, wird es einem leider Angst und Bange. Nicht die Manager welche den Trend verschlafen haben und mit einer teuren Siroop-Lösung den Befreiungsschlag suchen tun einem Leid, sondern die vielen normalen Angestellten welche täglich in den abgehängten Warenhäuser oder besser gesagt Museen mit Ihren Ausstellungsräumen und ihrem beschränkten Sortiment ihr Bestes geben. Hier ist der Kunde schon länger ausgestorben und der jetzige kauft definitiv einfacher online.
[…] Erachtens eines der grössten Missverständnisse in der Öffentlichkeit. Daher erlaube ich mir, einer meiner Aussage einen Platz in den Zitaten zu […]