Gestern kündigte die Migros Tochter Ex Libris die Restrukturierung ihres Filialgeschäfts an. Von aktuell 57 Filialen sollen es Ende Jahr noch 14 sein. Vor wenigen Jahren waren es noch über Hundert. Damit verbunden ein Personalabbau von 114 Stellen und die Sicherung von 215 Arbeitsplätzen.
Der grösste Onlineshop für Medien in der Schweiz und E-Commerce Champion 2016 folgt damit dem Kundenwunsch und transfomiert sich quasi zum Pureplayer. Die deutliche Flächenreduktion ist die unmittelbare Folge des veränderten Kundenverhaltens.
Denn E-Commerce ist nicht die Ursache für weniger Ladengeschäfte sondern nur das Symptom. Die Ursache ist das veränderte Kundenverhalten in jeder Branche, ob Fashion, Elektronik, Medien und andere.
Vom Detailhändler zum Onlinehändler
Das veränderte Kundenverhalten lässt sich am Umsatzshift von Offline zu Online bei Ex Libris exemplarisch zeigen:
In dieser Grafik sind Omni-Channel Anteile aus Click & Collect nicht enthalten, Onlinebestellungen die in der Filiale abgeholt werden. Berücksichtigt man diese Umsätze zusätzlich, so dürfte der sog. Online-Generated-Umsatz bei Ex Libris mittlerweile bei rund 80% nach meiner Einschätzung liegen.
Und warum soll ein Händler, der weniger als ein Viertel seines Umsatzes noch stationär generiert, noch mehr als ein Viertel seiner Filialen behalten? Diese Kostenblöcke lassen sich auch mit den optimiertesten Prozessen und exzellenter Execution des Onlinegeschäfts schlicht nicht halten.
Ex Libris ist damit weniger ein Sorgenkind sondern wird vielmehr wohl schon bald als Role-Model im Schweizer Detailhandel gelten, das nicht nur meine Überzeugung:
Falsch: @exlibris_ch ist kein „Sorgenkind“, sondern hat frühzeitig die Digitalisierung adaptiert & gleichzeitig das Verschwinden von CD/DVD verkraftet. Aber Filialen sind einfach viel zu teuer. Andere werden bald folgen. Trotzdem tut es mir sehr leid. 😢 https://t.co/XwXxlaRYUF
— Roland Voser (@rolandvoser) 10. Januar 2018
Triple Digitalisierung
Anders als andere Branchen ist gerade das Medien-Sortiment mit einer mehrfachen Digitalisierung konfrontiert.
- Digitalisierung der Vertriebswege
Umsatzverschiebung von Offline → Online - Digitalisierung der Produkte
Gedruckte Bücker → Ebooks
CD/DVD → Downloads etc. - Digitalisierung der Nutzungskonzepte
Kauf → Streaming, Abo, Flatrate etc.
Diese Digitalisierung schlägt sich auch in der Marktentwicklung unweigerlich nieder, wie heute die NZZ zeigt:
Der Gesamtmarkt in den jeweiligen Bereichen ist durch die Digitalisierung regelrecht zusammengebrochen (spannende Hintergrundinformationen in der NZZ). Dennoch hat es Ex Libris geschafft, durch konsequente Innovationen seine Markanteile zu vergrössern (auch ggü. Amazon in der Schweiz) in einem rückläufigen Markt. Wie es wohl bei den anderen Mitbewerbern aussieht?
Wie Amazon – einfach von der analogen Seite
Ex Libris, der ehemalige Buch- und Grammoclub (1950) und danach grösster Schweizer Filialist für Medien wie Bücher, Musik, Filme und Games setzt seine Entwicklung fort. Als ein Pionier im Cross- und Omni-Channel gilt die Migros Tochter u.a. als am weitesten digitalisierte Retailer Europas und ist einer der transaktionsstärksten Onlineshops der Schweiz.
Nun mit dem überragenden Umsatzanteil aus dem Onlinegeschäft folgt der nächste Schritt, wie Daniel Röthlin, CEO von Ex Libris bei SRF zitiert wird:
Im Rahmen der digitalen Transformation gehen wir jetzt den Schritt vom stationären Handel mit Online-Shop zum Online-Händler mit einem stationären Netz.
Die verbleibenden 14 Filialen sind die stationären Touchpoints eines auf Digital ausgerichteten Geschäftsmodels mit steigenden Marktanteilen in den Kernsortimenten.
Man könnte fast sagen, dass sich Ex Libris vom Setup her Amazon annähert – einfach von der anderen Seite kommend – mit einem überragenden Onlineanteil und ausgewählten stationären Formaten. 😉
Der Entscheid zur Umstrukturierung und zur deutlichen Reduktion des Filialnetzes ist mutig und wird wohl in der Schweiz bald Vorbildcharakter geniessen. Aufgrund der aktuellen Entwicklung werden noch zahlreiche Filialisten nicht nur in der Schweiz ihre Flächen bereinigen müssen.
Es ist für alle Beteiligten wünschenswert, wenn diese es mit der gleichen Konsequenz wie Ex Libris vollbringen. Auch wenn es schmerzhaft ist, sich radikal von unrentablen gewordenen Geschäftskonzepten zu trennen.
Denn ein Sterben auf Raten ist keine Option.
Disclaimer: Carpathia berät Ex Libris seit vielen Jahren in strategischen und konzeptionellen Fragen.
Logischer Schritt.
Leider haben sie bis jetzt die Transformation vom „Media-Händler/Discounter“ zum z.B. „Freizeit-Händler/Discounter“ nicht gemacht. Also inhaltlich sich anders oder breiter aufgestellt (Inhaltliche Strategie), um Entwicklung des Mediakonsums & der Medien – wie du auch beschrieben hast (Buch, CD, Film) – entgegen zu wirken.
Du schreibst ja auch „Man könnte fast sagen, dass sich Ex Libris vom Setup her Amazon annähert“ – sie wären in der Lage gewesen und wahrscheinlich immernoch, auch inhaltlich mehr sich Amazon anzunähern. Mit Galaxus haben sie heute jedoch Konkurrenz im eigenen Haus (beides MGB Töchter).
Dass sie trotz ändernden Mediakonsums und Medien Umsätze so gut halten konnten, spricht für sie & Arbeit der letzten 10 Jahre (und ihren heute wahrscheinlich gehaltenen oder gestiegenen Marktanteil, zB bei den gedruckten Büchern, ggü. Konkurrenz).
Die Kritik an der Sortiments-Diversifikation ist berechtigt. Der Fokus auf Medien in all ihren Nutzungskonzepten und -möglichkeiten hatte offensichtlich Priorität. Und Galaxus als Warenhaus ist ein spannender Sparringpartner.
[…] Libris ist im vergangenen Jahr vom Filialisten zum Pureplayer mit wenigen Filialen transformiert (Onlineanteil am Umsatz über 90%) und Manor als grösster Warenhaus-Betreiber in der Schweiz […]