St. Gallen will mit der «City Messenger» App auf dem Smartphone gegen das Ladensterben ankämpfen und die Menschen wieder in die Innenstadt bringen. Warum diese als Weltneuheit angekündigte Anwendung wohl genau das Gegenteil bewirkt.
Nur weil man eine App technisch machen kann, muss man noch lange nicht. Denn es gibt zu viele Gründe heutzutage, darauf zu verzichten und anstelle dessen die Vorteile des mobilen Webs zu nutzen. Denn potentielle Anwender*innen müssen schon einen sehr triftigen Grund haben, sich eine neue App zu installieren (und zu nutzen). So meine wiederholte Empfehlung.
Warum der City-Messenger zum Rohrkrepierer wird
„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“ in Abwandlung eines bekannten Sprichworts, und das trifft auch auf den City-Messenger zu. Denn die Macher haben gleich mehrere Fehlüberlegungen gemacht.
Erstens bereits erwähnt, das Kapseln einer solchen Anwendung in einer App, die zuerst einmal installiert werden muss. Zweitens muss ich die Menschen dort abholen wo sie sind. Und wenn ich schon interagieren will mit der Zielgruppe dann mache ich das dort, wo diese auch ist, also auf den beliebten Messenger-Diensten wie Facebook-Messenger oder WhatsApp in unseren Breitengraden.
Das man darauf gerade bewusst verzichtet hat, ist kaum verständlich. Die Begründung, dass man ansonsten „von weit entfernten Konzernen abhängig“ sei ist geradezu hanebüchen. Da könnte man mit ähnlichem Erfolgsanspruch für St. Gallen auch eine eigene Suchemaschine à la Google entwickeln.
A propos Google, drittens: Für Informationen im lokalen Kontext, angereichert mit Karten, Frequenzen, Bildern, Interaktivität und mehr hat sich Google als unerreicht bewiesen und wird gerade mit dem Einzug von Augmented Reality (die neuste Version von Google Maps gibt einen Vorgeschmack) noch viel wichtiger für die Innenstädte und deren Frequenz. Da wird mit dem «City Messenger» auch aus St. Gallen kein St. Google.
Denn der Einzug des „Digital Layers“ von Meta-Plattformen wie Google & Co. wird gerade den stationären Detailhandel noch heftig beschäftigen (Retail Vision: So fundamental müssen sich Ladenformate und Flächenkonzepte anpassen, um zu überleben).
Die Liste an Fehlüberlegungen im Zusammenhang mit dem «City Messenger» liesse sich noch beliebig erweitern. Und anstatt die Läden in der Innenstadt mit lustigen Messenger-Apps zu bespassen, sollte man sie lieber zur grundlegenden Digitalisierung befähigen wie beispielsweise endlich verlässliche Datengrundlagen zu schaffen und Anwendungen wie Google korrekt mit Informationen wie Öffnungszeiten, Beständen, Promotionen und mehr zu speisen, die auch von den Nutzer*innen genutzt werden.
Und lokale Marktplätze sind wenig überraschend gescheitert (Es ist wenig los beim „Internethändler von nebenan“) weil sich im Zeitalter der Digitalisierung regionale Grenzen und Betrachtungen in Luft aufgelöst haben. Und ebenso wird ein lokaler Messenger wie St. Gallens «City Messenger» scheitern.
Auch eine App macht eine Innenstadt nicht attraktiver
Der wichtigste Grund überhaupt jedoch; auch eine App steigert die Attraktivität einer Innenstadt nicht. Nur weil man sich einen lokal eingeschränkten Messenger installieren könnte, fährt noch niemand in die Innenstadt. Da müssen ganz andere Gründe her respektive Hausaufgaben erledigt werden.
Und wer um die Digitalisierung der zumeinst kleineren Detailhändler weiss, kann sich sehr gut vorstellen, wie Anfragen, Chat, Terminvereinbarungen und mehr dort abgewickelt werden. Mutmasslich und grossmehrheitlich weder digital noch instant.
Was als Weltneuheit angepriesen ist, dürfte nicht viel mehr als ein Werbekanal sein der kaum nachhaltige Akzeptanz finden wird. St. Gallen hat damit seiner Innenstadt und den Detailhändlern einen wahren Bärendienst erwiesen anstatt zur Weiterentwickung beizutragen.
Denn die Digitalisierung vom stationären Retail bedingt strategisch auch, sich entweder klar vom Onlinehandel zu differenzieren oder diesen sinnvoll und geschickt zu integrieren. Diesen konkurrenzieren zu wollen, ist eine denkbar schlechte idee, weil chancenlos.
Doch der Kunde und die Kundin werden auch hier am Schluss entscheiden. Und ich bezweifle stark, dass dieser «City Messenger» zur Attraktivität der Innenstadt beitragen wird.
Aktive Sterbehilfe anstatt Hilfe gegen das Ladensterben in St. Gallen.
Die App ist eine teure Ausrede der Stadtregierung um den Ladenbesitzern sagen zu können: „Wir haben alles versucht, aber es hat leider nicht geklappt.“
Was erleichtert mir die App denn, als Konsument? Generiert sie einen „gain“ oder eliminiert sie einen „pain“? Das ist mir nicht klar und so bin ich auch nicht bereit, diese App zu installieren. Zielführender aus meiner Sicht wäre in Richtung Omnichannel-Customer-Experience zu denken und Daten, die in Hülle und Fülle da sind, kundenspezifisch zu nutzen. Daraus ergibt sich dann ein (Mehr)Wert für den Kunden. Die App alleine – ohne pain/gain Lösung – wird nicht zielführend sein und das Ladensterben nicht lösen.
Ja, das geht leider in die Hose weil man da wieder mal aus der eigenen Sicht der Einzelhändler denkt und nicht aus Sicht der Kunden. Ich verweise hier auf ein ähnliches Projekt der Einzelhändler in 2017/18 hier in Heilbronn – das ist auch nach 9 Monaten tot gewesen.
Wie die vorherigen Kommentatoren schon geschrieben haben, fehlt der klar verstehbare einzigartige Vorteil der App für den Käufer.
Der Ansatz die etablierten Social-Media Kanäle wie FB, Insta, Pinterest etc. mit attraktivem Content zu bespielen wäre sicher zielführender, vorausgesetzt dass dann „Vor-Ort“ beim Händler auch ein gutes passendes Offline-Erlebnis geboten wird. Aber da müssten sich viele Händler aus ihrer geistigen Komfort-Zone bewegen – und das klappt erfahrungsgemäß aus verschiedenen Gründen leider nicht.
Wir freuen uns über die Berichterstattung und bedanken uns erstmal für die kritische Evaluierung dessen und die daraus resultierenden Denkanstösse. Gerne möchten wir auf einige Dinge eingehen …
Der City Messenger hat nicht das Ziel, den Onlinehandel zu konkurrieren. Vielmehr soll die digitale Kommunikation über Messaging-Dienste mit Betrieben und einen zeitgemässen Kundenservice ermöglicht werden. Darüber hinaus ist das Ziel des City Messengers, mit Text- und Bildnachrichten einfach und schnell über aktuelle Einkaufs- und Unterhaltungsangebote in St.Gallen zu informieren. Das Bewusstsein über innerstädtische Möglichkeiten und Angebote soll so bei der Bevölkerung gestärkt werden. Der City Messenger stellt in Summe die geschäftsbezogene Kommunikation in den Vordergrund. Entsprechend werden alle Arten von Inhalten in diesem Zusammenhang darüber kommuniziert. Der klare Fokus darauf erlaubt eine Trennung von privater und geschäftlicher Kommunikation in Form eines einfach zu nutzenden Messengers.
Ursprünglich war (natürlich) angedacht, den City Messenger in eine bestehende Nachrichten App zu integrieren (was liegt näher …). Konkret schauten wir uns u. a. WhatsApp und Telegram an, wir waren auch in direktem Kontakt mit WhatsApp betr. der Business API. Im Projektverlauf stellte sich jedoch heraus, dass die angestrebten Funktionalitäten nicht wie gewünscht umgesetzt hätten werden können. Bspw. werden ab Dezember 2019 bei WhatsApp Broadcast-Nachrichten für Marketingzwecke nicht mehr möglich sein. Viele Betreiber von solchen Lösungen haben jene in den letzten Wochen eingestellt (z. B. ‚TUI‘, oder auch Medien wie der ‚Focus‘) und Firmen mussten gar ganz ihren Dienst aufgeben (z. B. ATMS aus Österreich). Durch die Eigenentwicklung können wir den City Messenger bestmöglich auf Endnutzer wie auch Betriebe ausrichten und zudem in Sachen Datensicherheit Schweizer Standards setzen.
Viel Erfolg… wichtig wären nun exklusive Angebote via App, um damit die User/traffic auf ein interessantes Level zu bringen. Als User bin ich hier noch nicht positiv überrascht worden. Interessant wäre eine Art daily deal Funktion und eine Kategorie für alle Events von Bars und Clubs
Leider hat der sogenannte Digital-Experte Thomas Lang überhaupt keine Ahnung von zeitgemässem Messenger Marketing. Ansonsten könnte er so einen Blödsinn nicht absondern und die sinnvolle Initiative so unqualifiziert bewerten. Wirklichen Fachleuten ist nämlich schon seit geraumer Zeit bekannt, dass Whats Ap seine Broadcasting Funktion einstellt und im gesamten Facebook Konzern die Zukunft der Messenger Dienste unklar ist. Statt sich auf dieses Abenteuer einzulassen, haben die Initiatoren auf eine Schweizer Entwicklung gesetzt, die auch in Sachen Datensicherheit (DSVGO) neue Standards setzt. Typisch kleingeistig schweizerisch, wird so ein Vorstoss von angeblichen Fachleuten kritisiert, anstatt innerhalb der Digital Community neue Initiativen zu loben. Manchmal wäre es besser zu schweigen, erst recht wenn man von der Materie offenbar viel zu wenig versteht.
Hoppla, da fühlt sich wohl jemand auf den Schlips getreten. Denn genau die bald nicht mehr verfügbare Broadcasting-Funktion, welche den Betreibenden so wichtig scheint, offenbart ja, dass man v.a. eine Werbeschleuder plant und keine sinnvolle personalisierte 1:1 Kommunikation
Ja, genau so ist es. Noch hat die App die Chance echte Mehrwerte (einmalige exklusive Deals) zu kommunizieren und auch via geolocation dem User auf der Gasse vor dem Geschäft auszuspielen…. ich zweifle aber auch stark ob sich da einen Mehrwert für die Community aufbauen lässt…
Und Kinderkrankheiten gibts auch noch einige… merkt man schon wenn man bei der Anmeldung nicht weiss welches Format der Telefonnummer nötig ist
Wieso soll denn die Zukunft der Messenger Dienste im FB Konzern in Frage gestellt sein?? Nur schon für die Payment Dienste ist die Funktion Key…
Lokal Risiken eingehen anstatt Zuhälter der Globalen zu spielen scheint mir angebracht.
Wo ist denn da ein Risiko…. als Agentur wurde man ja bezahlt und hat das Risiko ausgelagert….. und zudem scheint auch der Kunde das Risiko gescheut zu haben und hat seine Kosten auf Innosuisse überwälzt…
Manchmal sind die globalen die bessere Wahl. Wäre das Geld zB in cleveres FB Marketing in der Vorweihnachtszeit geflossen, wäre der Effekt wohl grösser…
Was hat denn die App gekostet?
Trotz intensiver Suche findet man dazu nichts im Internet.
Wenn für dieser zweifelhafte Strategie, daß Leute sich ein App in erster Linie dafür herunterladen sollen, damit man sie mit Werbung zuballern kann, dann sollten die Verantwortlichen, die diesen Auftrag vergeben haben, zurücktreten.
Daß man so besser Fotos mit Kunden ansehen kann, wie Händler Frischknecht im Tagblatt-Artikel vorträgt, kann ja kaum das Argument sein? Das kann man auch per SMS oder Whatsapp und sonstwie.
Die App ist ein vom Bund gefördertes Innosuisse-Projekt, les ich grad.
Also sind auch noch Steuergelder drin, die von Staatsdienern dort reingegossen wurden.