Bookshop.org – Ein Amazon Herausforderer holt kleine Buchhändler ins Boot

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Der Amerikaner Andy Hunter hat 2020 während der Corona-Pandemie Bookshop.org gegründet um im amerikanischen Büchermarkt eine Alternative zu Amazon zu schaffen. Und zwar eine, die kleine lokale Buchhändler miteinbezieht. Doch wie funktioniert das genau?

Büchermarkt mit zentraler Logistik

Es ist kein Zufall, dass die Buchbranche als eine der ersten digitalisiert wurde. Denn bei den Büchern gibt es schon seit Jahrzenhnten

  1. Standardisierte Produktinformationen (die International Standard Book Number ISBN) und
  2. Zentrale Logistikinfrastrukturen.

Die ISBN wurde 1966 in UK eingeführt, 1968 internationalisiert und ist seit 1972 auch in Deutschland Standard. Das heisst, dass es schon seit Jahrzehnten eine gewisse einheitliche Datenstruktur im Buchhandel gibt – eine Voraussetzung für erfolgreiche Digitalisierung.

Die Bücherlogistik ist schon lange zentral organisiert: In der Schweiz wurde bereits 1882 das Buchzentrum als Schweizerisches Vereinssortiment AG gegründet – also noch 100 Jahre vor dem Internet. 1885 wurde es in eine Genossenschaft umgewandelt und 1968 in Schweizer Buchzentrum umbenannt. In Deutschland gibt es seit 1825 den Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit ähnlichem Hintergrund. Aufgrund dieser historisch gewachsenen zentralen Logistik, sogenannten „Buchzentralen“, war es relativ einfach, die Buchbranche zu digitalisieren weil rasch die nötigen Skaleneffekte erreicht werden konnten.

Ingram Warehouse, Quelle: https://biblioyou.com/Distribution.html

Buchhändler werden von den Buchzentralen beliefert

Noch heute ist es so, dass lokale Buchhandlungen ihre Bücher bei der „Buchzentrale“ bestellen und – ähnlich wie Apotheken – in der Regel täglich beliefert werden. Aufgrund der sehr häufigen Lieferfrequenz und den fixen Touren kann da auch mit Mehrweggebinden gearbeitet werden und Bestellungen und/oder Kundenretouren können ohne zusätzliche Portokosten abgewickelt werden.

Marktplatz für lokale Buchhändler

Diese einzigartike Infrastruktur erlaubte es dem findigen Gründer Andy Hunter in den USA einen Marktplatz auf die Beine zu stellen und die lokalen Buchhändler mit einzubinden. Der Clou an der Sache ist, dass er lediglich den Katalog der „Buchzentrale“ online stellen musste und die Händler anbinden musste, jedoch ohne Warenwirtschaft-Integration sondern lediglich als mögliche Lieferadresse. Die Lieferung erfolgt bei einer Bestellung über Bookshop.org nämlich direkt über die Zentrallogistik, entweder direkt zum Endkunden nach Hause oder zum Abholen in den Buchladen. Der Buchhändler hat also das Buch, das er verkauft, unter Umständen gar nie in der Hand! Er verdient jedoch eine „affiliate Provision“ von 30% an jedem Verkauf, egal ob der Kunde das Buch im Laden abholt oder nach Hause geschickt erhält.

Bookshop.org – Händler Suche, Quelle: https://bookshop.org/pages/store_locator

Kein Klassicher Marktplatz – eher ein Affiliate-Netzwerk

Bookshop.org ist eigentlich kein klassischer Marktplatz, denn bei Bookshop.org sind es nicht die Händler, die das Sortiment online stellen, sondern Bookshop.org selbst. Bookshop.org kuratiert also das Angebot und macht auch gleich das komplette Fulfillment (via Ingram) sowie den Kundensupport. Die Buchhändler fungieren eigentlich nur als Affiliates und können über eigene Empfehlungen und Bestseller-Listen ihren Kunden ein lokales Angebot machen. So haben die Buchhandlungen auch ganz spezifische Ausrichtungen, z.B. „black authors“, „LGBT“, etc. Wird ein Buch via einer solchen Liste bestellt, erhält die entsprechende Buchhandlung also wieder eine Provision.

Shop-in-Shop für Buchhändler

Was hingegen gleich ist, wie bei einem klassischen Marktplatz ist der eigene „Shop-in-Shop“ des Buchhändlers, der unten abgebildet ist. Allerdings beschränkt sich dies auf ein Headerbild, einen Profiltext sowie die Kontaktinformationen und Bestseller- und Empfehlungslisten, da die Buchhändler kein eigenes Sortiment online stellen können. Nichtsdestotrotz sind bereits 1’200 Buchhändler mit einem physischen Laden vertreten. Geschieht ein Verkauf über das Profil oder eine Liste bzw. einen affiliate Link des lokalen Buchhändlers, erhält er 30% Provision, ansonsten gehen 10% vom Erlos in den zentralen Profi-Pool, der zweimal jährlich an die Buchhändler ausgeschüttet wird. Der Endkunde muss also im Checkout keinen Buchhändler auswählen.

BookShop.org – Händler Profil, Quelle https://bookshop.org/shop/bgsqd

30’000 weitere Affiliates

Ausserdem gibt es noch rund 30’000 andere Affiliates wie Buch-Magazine, Influencer oder andere Buchliebhaber, die über ihre Empfehlungen Verkäufe generieren und 10% Provision erhalten.

Das Geschäftsmodell von Bookshop.org

Das Geschäftsmodell von Bookshop.org ist insofern interessant, als es eigentlich alles umdreht. Bookshop.org ist ein Logistik- bzw. Fulfillment-Unternehmen, das die lokalen Buchhändler als Affiliate Marketiers einsetzt. Ausserdem sammelt Bookshop.org Kundeninformationen, die sie dann wieder ihren Buchhändlern zur Verfügung stellen für lokales Marketing. Somit ist Bookshop.org auch ein Kundendaten-Trader, wenn auch (noch) unentgeltlich.

Bookshop.org schafft es offensichtlich die Bücher zu profitablen Kosten zu vermarkten, denn sonst würde ihr Business Case nicht aufgehen. In einem Interview mit dem Tagesanzeiger schreibt der Gründer, 80% der Erlöse gingen an die Buchhändler (30%) und Verlage (50%) und 20% des Umsatzes würden reichen, um Bookshop.org zu betreiben (inkl. Fulfillment). Offenbar scheint dies aufzugehen, obwohl normalerweise Marktplätze schon rund 15% Provision kassieren alleine fürs Marketing und die Infrastruktur – und lassen das ganze Fulfillment von den Händlern machen.

 

BookShop,org – Empfehlungs- und Bestseller-Listen eines Händlers, Quelle: https://bookshop.org/shop/bgsqd

10% zahlt Bookshop.org auch an Verlage, wenn sie auf Bookshop.org verlinken (statt auf Amazon) – und dies ist eine doppelt so hohe Provisionen, wie Amazon bezahlt. Ausserdem zahlt Bookshop.org den gleichen Betrag in einen Fonds ein, der zweimal jährlich an die Buchhändler ausgeschüttet wird. So konnten bis jetzt über 16 Mio. USD an die Buchhändler ausgeschüttet werden – der Wert wird auch prominent auf der Startseite ausgewiesen.

Eine Wohltätigkeitsorganisation als Amazon-Herausforderer?

Eine weitere Besonderheit von Bookshop.org ist die Tatsache, dass der Gründer seine Organisation als „Wohltätigkeitsorganisation“ bezeichnet und es eine Grundregel gibt: Nämlich die Firma nie, nie, nie an einen grossen Handelskonzern zu verkaufen – schon gar nicht an Amazon. Der Fonds, der die Buchhändler unterstützt, unterstreicht die gemeinnützige Vision des Gründers und unterscheidet das Unternehmen von anderen Quasi-Monopolisten.

Trotzdem: Andy Hunter will Amazon herausfordern und sagt klar, dass er das gleiche liefern kann wie Amazon (dieselben Büchern zu denselben Preisen und gleich schnell), dass er dies jedoch nachhaltiger und im Einvernehmen mit kleinen, lokalen Händlern tut.

Dass er es gut macht zeigen die Zahlen eindrücklich. In nur 1,5 Jahren über 1’200 Buchhändler zu onboarden und 14 Mio. USD Gewinn zu machen ist beachtlich. Da nimmt man ihm auch ab, dass er seinen Marktanteil gemessen an den Amazon-Umsätzen von heute 1% auf 4-5% in den nächsten Jahren steigern kann.

Alles in allem ist es ein interessantes Geschäftsmodell, das im Unterschied zu vielen anderen grossen Marktplätzen, die Verankerung mit dem lokalen Gewerbe sucht. Ob das Unternehmen tatsächlich eine Wohltätitkeitsorganisation ist oder dies eher Marketing ist, wird sich zeigen. Wir sind gespannt, wie es sich weiter entwickeln wird und wann bzw. ob Bookshop.org auch nach Europa kommen wird. Einfach wirds nicht unbedingt werden und in Deutschland gibt es zum Beispiel bereits die Initiative geniallokal.de, die ganz ähnlich funktioniert, schon seit 2015.



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