Die Ereignisse der vergangenen Woche lassen aufhorchen; Medienhäuser rufen die nächste Spar- und Konsolidierungsrunde aus, Warenhäuser setzen ebenfalls den Rotstift an:
- Tamedia kündigt radikalen Umbau an und konsolidiert die Redaktionen
- Ringier verkündet weiteres Sparprogramm
- Globus baut weitere Stellen und Standorte ab
- Manor streicht 20% der Stellen am Hauptsitz
Während die beiden erstgenannten Medienhäuser gefühlt die zweite oder gar dritte Sparrunde einläuten, scheinen die Warenhäuser erst am Anfang ihrer dringend nötigen Transformation zu stehen.
Bei den Medien brechen die Einnahmen ein und verschieben sich in die digitalen Kanäle; das Nutzerverhalten hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert, die neuen Generationen werden es noch verstärken.
Bei den Detailhändlern brechen die Einnahmen ein und verschieben sich neben dem Ausland in die digitalen Kanäle; das Nutzerverhalten hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert, die neuen Generationen werden es noch verstärken.
Die Parallelen sind unverkennbar, einfach in zeitlichem Verzug.
Wahre Warenhäuser sind online
Die Warenhäuser sind alles andere als zu beneiden, denn ein Grossteil ihrer Assets sind durch die Digitalisierung und damit einhergehenden Informations-Demokratisierung verloren gegangen.
Ich bin im kontrovers diskutierten Beitrag Jelmoli und andere Todgeweihte – Warenhäuser, ein Konzept hat sich überlebt im Detail darauf eingegangen. Und selbst die NZZ, die zu Jahresbeginn nach Publikation des Retail-Outlooks bereits fragte, Wer braucht noch einen Laden?, kommt in einem aktuellen Kommentar zu den Umbauplänen der Warenhausbetreiber zum Schluss:
Die wahre Herausforderung ist, dass der Kunde schon lange nicht mehr so einkauft, wie er das in der Vergangenheit getan hat.
Die Umwälzung ist viel tiefgreifender, als es mancher wahrhaben möchte. Das Internet entzieht gerade den Warenhäusern viele sicher geglaubte komparative Vorteile.
Ein grosses Sortiment in einem Haus, verteilt auf mehrere Etagen, zog vielleicht früher Konsumenten an.
Schwierige Lage für Shopping-Center
Besondes akzentuieren sich diese Probleme bei den Shoppinng-Centern, von denen es aktuell nicht nur in der Schweiz zu viele gibt. Ein Shopping-Center bündelt geradewegs die Probleme des Retails und hat in der heutigen Form wenig Zukunft.
Als Anzeichen geradezu exemplarisch ist, dass im vergangenen Geschäftsjahr 2016 die 5 grössten Onlineshops in der Schweiz mehr Umsatz erzielten als die 5 grössten Shopping-Center. Und die 10 grössten Onlineshops kommen auch bereits auf über CHF 3 Milliarden Umsatz und haben die 10 grössten Shopping Center ebenfalls fast eingeholt.
In meinem State of E-Commerce Referat vergangene Woche habe ich den „Krankheitsverlauf“ bei Shopping-Centern wie folgt skizziert:

Die erste Dead-Mall haben wir in der Schweiz im Tessin und weitere werden wohl unweigerlich folgen. Es erscheint wie ein Sterben auf Raten.
Dass die Centers auf Events und Freizeitvergnügen setzen müssen scheint eine Folge davon, dass die Kunden in den Ladengeschäften viel weniger einkaufen wollen. Denn würde der Detailhandel noch funktionieren, käme wohl niemand auf die Idee mit den Events und Freizeitvergnügen.
Diese Entwicklung stellt jedoch auch das heutige Mieter-, Erlös- und Rendite-Konzept auf den Kopf inklusive den dramatischen Auswirkungen auf die Immobilienwerte. Events und Freizeit kann neue Erlösströme geben, jedoch nicht im Handel oder bei den bisherigen Ankermietern.
Amazon plant riesiges Logistikcenter am Standort der ehemaligen grössten Mall der USA
In Berlin bedient Amazon die Bevölkerung mit seinem Prime-Now Konzept aus einem ehemaligen Kaufhaus am Kurfrüstendamm. Und es entbehrt nicht einer grossen Ironie, dass Amazon derzeit in den USA ein „kolossales Lagerhaus“ an dem Standort plant, an dem einst die grösste Mall der USA stand:
Will pick, pack and ship smaller customer items such as electronics, toys and books.
Put differently, the new pickers will be filling Amazon-branded boxes with the exact same sorts of goods that were once sold at the Randall Park Mall.
Und bereits hat sich ein Startup in den USA darauf spezialisiert, die nächsten Mall-Schliessungen aufgrund von Satelliten-Aufnahmen vorauszusagen. Analysiert wird die Auslastung der Parking-Lots und basierend darauf, soll der „Gesundheitszustand“ der Mall vorausgesagt werden:
Orbital Insight, a venture-funded startup in Mountain View, uses satellite imagery to track the health of major retailers by analyzing car groupings in the parking lot.

Zeit gewinnen
Alle Meldungen dieser Woche aus der Schweizer Medienlandschaft und dem Detailhandel haben eines gemeinsam. Das Management will Zeit gewinnen für die Transformation.
Zeit gewinnen in einer Zeit, wo kaum Zeit bleibt.
Man spricht von 1 bis 2 Jahren in einer Zeit, wo Amazon vor der Tür steht (Amazon und mögliche Szenarien für den Start in der Schweiz), chinesische Anbieter den Schweizer Markt fluten und die Cross-Border Hürden nicht mehr existieren.
So löblich diese Massnahmen sind – und die veranschlagte Zeit wird man auch dringend benötigen – bleibt die Hoffnung, dass es nicht zu spät ist, jetzt erst so deutlich zu reagieren. Denn wenn heute reagiert wird, dann muss dies radikal und schnellstmöglich erfolgen. Denn bisherige Grösse und Marktdominanz ist keine Sicherheit mehr.
Denn wie sagte bereits vor 2 Jahren Klaus Schwab vom WEF:
Are you ready for the technological revolution? http://t.co/p6T6RgEYya pic.twitter.com/CV1uWhJvFi
— World Economic Forum (@Davos) 19. Februar 2015