Drei Last-Mile-Profis für den Schweizer Onlinehandel

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Die Logistik gehört zu einem der Themen, mit denen sich Onlinehändler am meisten auseinandersetzen (sollten).

Logistik und insbesondere die Zustellung auf der letzten Meile ist nicht nur einer der grössten Differenzierungsfaktoren, sondern auch einer der grössten Kostenfaktoren in der E-Commerce-Wertschöpfungskette.

Während grosse Player, wie Amazon, Alibaba oder Zalando, die Sache selbst in die Hand nehmen und ihre eigene Logistik aufbauen (Amazons gigantische Logistikambitionen oder Alibaba plant Logistikinfrastruktur für eine Milliarde Pakete pro Tag), verlassen sich die kleineren im Sinne einer „Buy-Strategie“ auf externe Dienstleister.

Eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung, wäre vermutlich die Komplexität im Verhältnis zum erbrachten Business Impact zu hoch, würde man diesen Bereich selbst aufbauen. Dennoch: Die Händler geben so die Kontrolle ab.

Damit einher auch die Kontrolle über einen sehr wichtigen Touchpoint mit dem Kunden, der unter Umständen auch darüber entscheidet, ob er oder sie erneut im Onlineshop XYZ einkaufen wird oder nicht. Hier wird die Experience mit der die Heimlieferung essenziell oder wie sie im Logistik-Jargon genannt wird: Der Zustellung auf der letzten Meile.

Drei Schweizer Last-Mile-Startups

In der Schweiz haben sich folgende drei Startups auf genau diese Dienstleistung spezialisiert.

Notime

Von Notime werden wohl die meisten schon gehört haben. Das Startup wurde 2014 gegründet. Ihre Dienstleistung beruht darauf, dass sie die Zustellung auf der letzten Meile mit Freelancern erbringen wollten. Sozusagen nach dem Uber-Prinzip. Wollten, denn diese Herangehensweise wurde von der Unia scharf verurteilt. Das Unternehmen geriet unter Druck, weshalb es seine 300 Freelance-Kuriere schliesslich anstellte und so nun über eine eigene Flotte verfügt.

Das Angebot von Notime umfasst folgende Lösungen:

  • Same Day Delivery, Zustellungen am Tag der Bestellung
  • Delivery on Demand, d.h. der Kunde wählt zwischen verschiedenen Lieferzeitfenstern
  • notime FollowMe für das Tracking sowie die kurzfristige Umplanung von Lieferaufträgen

Letztes Mal war Notime in den News, weil sie einen Piloten für Citylogistik mit Kyburz und der Post testen. Die Post hält seit März diesen Jahres einen Anteil von 51 % an Notime.

Referenzshops, für die Notime aktiv ist, sind unter anderem Brack, Discountlens oder Interdiscount.

Bei Brack.ch wird die Same-Day-Delivery von Notime erbracht.

Annanow

Dann ist da noch Annanow, das 2017 gegründet wurde. Geht bei Annanow ein Auftrag ein, so kann dieser erst über die Annanow-Crowd angenommen werden oder ausgewählten Partner erledigt werden. Dies variiert je nach Region oder Qualitätsanforderung des Produktes oder des Händlers.

Auch wenn keiner in der Crowd den Auftrag annimmt (mit Crowd sind gemäss Daniel Gardenegger (Initiator & Strategy) Selbständige gemeint, die während der Annanow-Fahrten angestellt sowie regulär sozial- und unfallversichert sind), wird er an bevorzugte Partner weitergeleitet.

Das bietet Annanow an:

  • Fokus Sofort-Lieferung inkl. Versicherung der gelieferten Ware sowie die Möglichkeit, das Lieferzeitfenster und den Lieferort zu bestimmen
  • On Demand Delivery, die Bestellung geht in einen sogenannten «pending» Status, bis der Kunde die Lieferung abruft. (Beispiel: Der Kunde bestellt morgens und ruft die Lieferung ab, sobald er zuhause angekommen ist)
  • Klassische Zeitfensterlieferung
  • Abholung zu Hause: Die Retoure wird vor der Haustüre wieder durch Annanow abgeholt und direkt in den Shop zurückgebracht. (Vgl. Pick@Home)
  • Tracking

Referenzshops, welche Annanow für die schnelle oder flexible Lieferung nutzen, sind beispielsweise Jumbo, Media Markt oder Fleurop.

LuckaBox

Last but not least: LuckaBox, ebenfalls 2017 gegründet. Ihr Angebot umfasst:

  • Now, die Express-Lieferung
  • Flex, d.h. die Geburtstagstorte für Mama am Samstagmorgen direkt zu ihr nach Hause.
  • Return, Abholung zu Hause (Vgl. Pick@Home)

LuckaBox arbeitet schon von Anfang an mit ausgewählten Lieferpartnern. Zudem verfahren sie nach dem Push- und nicht nach dem Pull-Prinzip. Das bedeutet, dass die angebundenen Partner den Auftrag annehmen müssen, welcher der Algorithmus ihnen zugewiesen hat. Dies verhindert gemäss CEO Aike Festini Preisdumping und garantiert eine faire Lieferung.

Onlinehändler, die LuckaBox bereits integriert haben, sind beispielsweise Jelmoli, Steg oder Franz Carl Weber.

Technologie und Plattform-Gedanke

Die Betrachtung dieser drei Dienstleistern hat gezeigt: Trotz ihrer teilweise unterschiedlichen Herangehensweisen bzgl. Lieferpartner (Freelancer vs. Crowd vs. Partner), unterscheiden sie sich nicht diametral voneinander.

Allen drei ist gemeinsam, dass sie als Plattform in einem zweiseitigen Markt operieren, wo Netzwerkeffekte wirken. Für sie und ihre Kunden ist die Technologie der zentrale Erfolgsfaktor.

Last-Mile-Logistik: Aufholbedarf in der Schweiz

Es ist eindeutig, dass das Angebot der vorgestellten Dienstleister ein Bedürfnis am Markt erfüllt. So hat auch der E-Commerce-Report 2018 dem Thema Logistik ein ganzes Kapitel gewidmet und resümiert: „Wenn alle mit der Post arbeiten, besteht kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Hier kann ein Schweizer Händler eigentlich nur dann einen Vorteil haben, wenn er es selber macht, wie zum Beispiel coop@home.“

Gemäss dem Report wollen die Schweizer Onlinehändler ausserdem Next Day Delivery zum Standard machen. Unsere Studie zu den Versand- und Retourenkonditionen der 50 umsatzstärksten Schweizer Onlineshops hat wiederum ergeben, dass die Lieferung am Folgetag erst in der Branche Body & Taste Standard ist, in den anderen Branchen jedoch weiterhin noch die Ausnahme.

Während in der Schweiz also noch viel zu tun ist, sieht es in China schon ganz anders aus. Dort wird gefühlt alles und überall hin geliefert, zum Beispiel Kaffee: Ele.me, der Online-Food-Delivery-Service der Alibaba Group, liefert in Peking und Shanghai Kaffee innert 30 Minuten aus. Wird dies schon bald auch von Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten gefordert, stehen die drei Spezialisten sicher schon bereit.



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