Bereits seit letztem August betreibt die Genossenschaft Migros Aare mit My Migros einen neuen Online-Lebensmittelshop als geschlossenen Piloten, der das gesamte Sortiment der Filiale Shoppyland den rund 200 Testkunden anbietet. Dabei werden Online die stationären Preise garantiert – kommissioniert wird direkt aus der Filiale und zugestellt mit Elektro Cargo-Bikes wie es in der entsprechenden Medienmitteilung heisst.
So richtig publik wurde der Testbetrieb diese Woche durch die Berichterstattung bei den Kollegen von etailment.de. Denn my Migros nutzt die Daten aus dem Kundenbindungsprogramm Cumulus das die Migros seit 1997 betreibt und damit wohl über den reichhaltigsten Datenfundus im Detailhandel verfügt.
Laut Migros Aare ist mit my Migros der erste 100-prozentig personalisierte Onlineshop für Lebensmittel entstanden, der mitdenkt. Aufgrund von Cumulus-Daten der letzten 12 Monate würden ausgewählten Kundinnen und Kunden im Pilotgebiet der Stadt Bern und Agglomeration ein auf sie persönlich abgestimmter Onlineshop mit individuellen Produktvorschlägen angezeigt.
Die Reihenfolge der Artikel ergebe sich aus der Wahrscheinlichkeit, mit welcher die Kunden diese demnächst zuhause benötigen. Dahinter steckt ein Algorithmus, der nicht nur Vorlieben, sondern auch Zeitpunkt und Regelmässigkeit der Einkäufe berücksichtigt. Dadurch erledigen Pilotkunden ihre Einkäufe online einfacher und schneller.
Der Vorteil: Nach dem Login bietet sich dem Kunden direkt ein personalisierter Onlineshop, der seinen Einkaufsroutinen entspricht und so die Zusammenstellung des Warenkorbs bequemer macht und beschleunigt.
Das dürfte jenen Kunden entgegenkommen, die vor allem den alltäglichen Bedarf bestellen wollen und sich nicht erst lange durch die Sortimente klicken wollen. Bequemlichkeit und Übersichtlichkeit ist ja schließlich immer ein wichtiges Argument im Onlinehandel. Von „blitzschnell“ und einem Einkauf binnen 10 Minuten spricht Migros.
Warum erst jetzt und warum nicht bei LeShop?
Insofern ist der Schritt der Migros Aare nur zu begrüssen, dass man mit my Migros (wohl erstmals) auch im Bereich Personalisierung auf die Cumulus Daten zurückgreift.
Erstaunlich ist jedoch auch, dass man erst heute auf die Idee kommt, diese Daten zu verknüpfen für ein besseres Kundenerlebnis und warum nicht bspw. LeShop – der Onlinesupermarkt der Migros und Marktführer in der Schweiz – nicht bereits seit Längerem auf diese Algorithmen setzt.
Laut etailment soll die Migros schon immer etwas unglücklich gewesen sein, dass der Name „Migros“ im Online-Lebensmittelhandel wenig Präsenz geniesst. Dabei hilft auch nicht, dass ebenfalls in Bern ein zweiter Pilot läuft mit Lebensmitteln Miacar: Migros‘ Picnic-Klon als Migroswagen 2.0. Dieser wird jedoch vom letztes Jahr gegründeten Company-Builder-Arm der Migros Sparrow-Ventures betrieben.
Personalisierung A und O im Digital Commerce
Personalisierung ist nach wie vor eines der ganz grossen Themen im Digital Commerce. Dem Kunden die Qual der Wahl zu erleichtern oder dem sogenannten Paradox of Choice entgegen zu wirken.
Wir alle sind es gewohnt, dass uns von Amazon bis Zalando die grossen Onlineplattformen Artikel empfehlen und uns die Suche nach dem passendsten Produkt erleichtern. Unerreicht auch die Empfehlungen von Netflix oder die Playlists von Spotify die allesamt auf Verhaltensdaten und KI-Algorithmen basieren. Niemand möchte diese mehr missen.
Konsumentenschützer auf der Suche nach dem Haar in der Suppe
Der Blick titelte denn auch vorgestern, ob dies der Anfang von personalisierten Preisen sei und verleitete den Konsumentenschutz (Personendaten: Wer schützt den Konsumenten vor dem Konsumentenschutz?) zu haarsträubenden rsp. geradzu fahrlässigen Thesen. Denn sobald genügend Datenmaterial vorhanden sei, so die Konsumentenschützer, würde dies die Migros befähigen, für jede Kundin und jeden Kunden für jedes Produkt individuell denjenigen Preis zu berechnen, den er oder sie maximal zu zahlen bereit sei.
Liebe Konsumentenschützer; Cumulus existiert wie eingangs erwähnt seit 1997 und würde die Migros wollen – welche ja bekanntlicherweise den Kunden selber gehört die ihr so verkrampft zu schützen versucht – dann hätte sie bereits vor Jahren dynamic Pricing einführen können. Nein vielmehr garantiert die Migros online die stationären Preise und umgekehrt.
Die Migros Aare kontert denn auch:
Diese Aussage ist falsch und entbehrt jeglicher Grundlage. Dynamische Preise werden bei der Migros Aare nicht praktiziert.
Bei «My Migros» gehe es überhaupt nicht um dynamische Preise, sondern darum, «den Testkunden aufgrund ihrer Cumulus-Daten der letzten zwölf Monate einen auf sie persönlich abgestimmten Onlineshop mit individuellen Produktvorschlägen anzuzeigen.
Und einmal mehr, der Kunde entscheidet – immer!
Wer dieses Convenience-Angebot nicht nutzen will, der wird von niemandem daran gehindert, stationär einzukaufen. Dann jedoch bitte Cumulus-Karte und Handy zu Hause lassen und nur Bar bezahlen.
Guten Abend,
Ihre Kommentare über das MyMigros personifizierte Einkaufskonzept sind gut, nur der letzte Satz ist ein wenig deplaziert, da er nicht der Realität entspricht. Das neue Konzept ist gut für Leute, die ohnehin ihr ganzes Leben über ihr Smartphone abwickeln wollen. Ich lasse aber meines im Auto beim Wocheneinkauf im MM Rosenberg, da ich mir längst eine persönliche Einkaufsliste geschaffen habe, auf welcher alle Varianten meiner möglichen Wocheneinkäufe aufgelistet sind, gegliedert in Früchte, Gemüse, Fisch, Fleisch, gekühlte Produkte, deep frozen Produkte, Getreideflocken, divers Non Food, Körperpflege, Haushalt mit je einer Kolonne für vorhandene Restmengen, to buy und not to buy. Das braucht auch nur 5 – 10 Minuten zum Ausfüllen und kann vor Ort noch spontan angepasst werden. Also brauche ich keine Online Hilfe dafür, scanne jedes Produkt meiner Einkäufe und bezahle bargeldlos mit meiner Gratis-Cumulus-Mastercard (Bargeld existiert für mich praktisch nicht mehr). Also ist mir Ihr letzter Satz mit dem Barzahlen trotz dem positiven Vorlauf leider etwas sauer aufgestossen. Nur für die verdammte Parkgebühr muss man jedes Mal ein Frankenstück im Hosensack haben… Sowas von modern…. Freundliche Grüsse Ulrich Siegrist
Nur wer mit Bargeld bezahlt, würde keine Datenspur hinterlassen.