«Die Migros-Gruppe will verstärkt in ihr strategisches Kerngeschäft und den Online-Handel investieren»
so die Einleitung der Medienmitteilung, mit der die Migros letzten Donnerstag eine Bombe im Schweizer Detailhandel platzen liess.
Oder anders durch die digitale Brille gesehen; die Migros glaubt nicht, dass die Globus-Warenhäuer, die Home & Living Anbieter Interio und Depot wie auch der E-Bike Anbieter m-way die Transformation innert nützlicher Frist vollziehen können.
Alle vier Formate dürften keine 10% ihrer Umsätze im Onlinehandel erzielen, sind damit wohl gefangen in der Transformationsfalle.
Das heisst, die Bewirtschaftung der unrentabler werdenden Flächen frisst zu viel Energie und Ressourcen. Die Flächen als Kostenblöcke, als Ballast für einen schnelle(re)n Anstieg der Onlineanteile, zu gross die Altlasten in Organisation, Prozessen und Systemen, das bestehende Geschäftsmodell als erschwerend für die digitale Zukunft.
Radikale Lösungen können sich in solchen Situationen aufdrängen. Entweder ein rigoroser Schnitt mit der Vergangenheit, Transformation des Geschäftsmodells und Filialschliessungen im grossen Stile wie im vergangen Jahr bei der Migros-Tochter Ex Libris (Ex Libris transformiert vom Filialisten zum Pureplayer) was in der Wirtschaftspresse als “Blaupause für die Branche” bezeichnet wurde (nicht online, Artikel als PDF) oder Verkauf der Formate, wie nun jetzt der Fall.
Globus vom Weg aus der Transformationsfalle abgekommen
In unserem Interview mit Globus CEO Thomas Herbert vergangenen Herbst zeichnete sich noch ein möglicher Weg aus der Transformationsfalle ab. Die Hälfte der Unternehmens-Investitionen sollen im digitalen Bereich erfolgen.
Und der Onlineumsatz sollte sich 2018 von CHF 20 Mio auf 40 Mio. verdoppeln, für 2019 werden CHF 100 Mio anvisiert, mittelfristig gar CHF 200 Mio. die man online umsetzen will.
Wie in der Bilanz im Mai zu lesen war, waren es dann 2018 doch „nur“ CHF 30 Mio. und die CHF 100 Mio Onlineumsatz für dieses Jahr scheinen wenig realistisch, wie man zwischen den Zeilen in der Migros-Medienmitteilung liest:
…im Jahr 2019 werden bereits knapp 10% des Gesamtumsatzes online erzielt werden.
Was bei einem Gesamtumsatz 2018 von CHF 808 Mio. wohl weniger als CHF 80 Mio. entspricht anstelle der angekündigten 100 Mio.
Die Migros sieht offenbar nun keinen Weg, mit eigenen Kräften und Mitteln Globus profitabel und digital fit zu kriegen und sucht einen Käufer – oder wie man es PR-technisch ausdrückt:
Mit der verstärkten strategischen Ausrichtung von Globus auf das Premium- und Luxus-Segment entfernt sich Globus weiter von der DNA der Migros.
Dadurch ergeben sich immer weniger gemeinsame Berührungspunkte und Synergien für die Zukunft.
Deshalb wird die Migros nach einer neuen Eigentümerschaft suchen, welche das Potenzial von Globus besser ausschöpfen kann.
Interio AG bereits liquidiert (!) und wohl schwierig zu entflechten
Ähnlich tönt es beim zweiten verbliebenen Format Interio, das die Migros 1997 mit der Übernahme der Globus-Gruppe zusammen mit Globus, ABM und Office-World gekauft hat. ABM wurde nach mehreren Neustarts Anfangs der 2000er Jahre beerdigt, Office-World letztes Jahr verkauft, wie die Handelszeitung resümiert im Black-Thursday für Globus.
Der Möbelhändler Interio ist in den vergangenen Monaten mit dem Migros eigenen Format Micasa zusammen geführt worden und wurde sowohl organisatorisch wie auch technisch zumindest was die Onlineplattform angeht, mit Micasa vor einem Jahr gleichgeschaltet.
Das Unternehmen selber, die Interio AG, wurde erst kürzlich Anfangs Mai gar schon aufgelöst, wie dem Handelsregister zu entnehmen ist. Da bleibt die Frage interessant, in welcher Form Interio an einen möglichen neuen Käufer gehen wird?
Wenn man in der Medienmitteilung den Teil zu Interio liesst muss man darauf schliessen, dass die Integration mit Micasa gescheitert ist.
Die elf Filialen für Möbel und Wohnaccessoires von Interio profitieren als meist alleinstehende Filialen nicht von genügend Synergien mit der Migros und haben sich im wettbewerbsintensiven Möbelmarkt leider nicht wie geplant entwickelt.
Sie verfügen bei der Migros zudem nicht über die kritische Grösse für eine nachhaltige Entwicklung. Für die Standorte von Interio sieht die Migros deshalb bessere Entwicklungschancen mit einem neuen Eigentümer oder Betreiber.
Komplexer Ballast weiter an Bord
Mit der Ankündigung vom Donnerstag und der Suche nach neuen Käufern für Globus, Interio, Depot und m-way zeigt die Migros, wie ernst es ihr ist mit der Transformation und, wo sie die Zukunft sieht. Das Migros Management entledigt sich damit demjenigen Ballast, den es kurzfristig auch abwerfen kann.
Die vier zum Verkauf stehenden Unternehmen sind Tochtergesellschften im Handelsdepartement und stehen damit wenig unter dem Einfluss der bei der Migros nach wie vor (zu) mächtigen Genossenschaften. Hier kann die Migros Geschäftsleitung schnell handeln, was sie nun beweist.
Ein nicht minder grosser Ballast stellen die Fachmärkte Do it + Garden, OBI, melectronics, micasa, SportXX und Bike World dar, für welche einige der in der Medienmitteilung angeführten Verkaufsargumente je nach Ausrichtung wohl ebenso Gültigkeit haben. Nun sind dies eben Fachmärkte und damit Teil der „Kern-Migros“ wo die zehn Genossenschaften mitreden. Und „Lokalfürsten“ zeigen sich gerade punkto Digitalisierung wenig beweglich, auch aus Angst um ihre Pfründen.
Da kann man dem Kommentar in der NZZ nur beipflichten, der Verkauf von Globus kann nur der Anfang sein. Nur, dass es beim verbleibenden Ballast wohl weniger schnell gehen dürfte wegen der Mitsprache der Genossenschaften. Bleibt die Frage, ob die Zeit dafür überhaupt noch genügt?