Praxis-Insights Nr. 2 mit Alessandro Barnetta von Natitrikot.ch – Alle wollen das Schweizer Trikot!

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Das Interview für den zweiten Beitrag der Blog-Serie „Praxis-Insights“ führen wir mit Alessandro Barnetta von Natitrikot.ch. Seit dem Sieg der Schweiz gegen Frankreich nach Penaltyschiessen im Achtelfinale der EM 2020 ist der umtriebige St.Galler Unternehmer Tag und Nacht mit der Abwicklung absoluter Bestellrekorde beschäftigt.

PraxisInsights_Natitrikot_1Seit 2013 betreibt Alessandro Barnetta, Bruder von Tranquillo Barnetta, die Fussballtrikot-Onlineshops Natitrikot.ch und klubtrikot.ch. Unter der Dachmarke sportglobe GmbH ist das Unternehmen über die letzten Jahre stark gewachsen und betreibt nun weitere Nischenshops in den Segmenten Schulsport, Brillen & Helme sowie Rucksäcke. Weitere Shops sind schon in der Pipeline.

[Carpathia] In der Zeit der EM läuft Euer Geschäft wohl heiss. Welche Trikots sind am beliebtesten?

[Alessandro Barnetta) Die Schweizer Nati, ohne wenn und aber. Seit Montag Abend um 23:00 Uhr verkaufen wir zu 98% Trikots der Schweizer Nationalmannschaft. Das Geschäft läuft nun sehr gut. Um 05:00 Uhr morgens am Dienstag nach dem Spiel hatten wir bereits den bisherigen Tagesumsatzrekord aus dem Jahr 2018 (WM) geknackt.

[Carpathia] Die Nachfrage der Trikots ist wohl stark abhängig von den Leistungen der jeweiligen Teams.

    • Wie stellt Ihr die Verfügbarkeiten sicher bei schwieriger Planbarkeit? 

  1. [Alessandro Barnetta] Gar nicht, wir können keine Verfügbarkeiten sicherstellen. Wir erarbeiten Analysen zu den Teams und müssen uns zum Bestellzeitpunkt der Leibchen grösstenteils auf diese verlassen. Die aktuellen Trikots habe ich bereits im August 2019 bestellt.
  2. Zum Bestellzeitpunkt ist oft nicht einmal klar, ob das Team definitiv an der Endrunde dabei ist, geschweige denn, wie die Teams beim Turnier dann tatsächlich performen.

  3. Dieses Jahr beispielsweise ist unerwartet Dänemark ein Renner, dafür läuft bei Deutschland nicht viel, aufgrund mittelmässiger Leistungen in der Gruppenphase und dem Ausscheiden im Achtelfinale. Nachbestellungen sind je nach Trikot zwar möglich, aber oftmals zu spät. Der Fan möchte das Trikot beim nächsten Spiel tragen, er weiss ja nicht, ob es das letzte Spiel „seiner“ Mannschaft wird. Insgesamt ist es also ein „Risky Game“.
    • Wie plant und handhabt Ihr die logistische Abwicklung zu Spitzenzeiten

  4. [Alessandro Barnetta] Wir können glücklicherweise kurzfristig zusätzliche Mitarbeitende rekrutieren. Aktuell liegt der Flaschenhals beim Bedrucken der Shirts mit den Nummern und Namen der Spieler. Die Nummern 1 und 9 sind praktisch ausverkauft, da nach dem Sieg gegen Frankreich viele Kunden die Trikots der Leistungsträger Xhaka (10), Seferovic (9) und Gavranovic (19) wünschen. Mittlerweile sind die Nummern wieder verfügbar, aber 3 Tage waren sie aus.

[Carpathia] Wie viele Trikots verkauft Ihr während einer EM? 

[Alessandro Barnetta] Während einer EM verkaufen wir zwischen 6’000- und 9’000 Leibchen.

[Carpathia] Wie viel % der Kundschaft wünschen einen Bedruck mit Namen und Nummer?

[Alessandro Barnetta] Aktuell enthalten 80% der Bestellungen einen personalisierten Druck. Beliebt in diesem Jahr sind die Spieler, die gegen Frankreich toll gespielt haben, Xhaka, Zuber, Seferovic oder Gavranovic. Aber auch Sommer ist sehr beliebt. Es sind aber auch lustige Namen dabei, wie Covid-19 oder Grosi 12.

[Carpathia] Versendet Ihr alle Trikots ab Lager? 

[Alessandro Barnetta] Ja. Im Leibchen-Geschäft gibt’s kein Dropshipping. Derjenige, der die Ware an Lager hat, verkauft an den Endkunden.

[Carpathia] Wer sind Eure Kunden? Kannst Du einen typischen Kunden charakterisieren? 

[Alessandro Barnetta] Während einer EM oder WM ist die Kundschaft durchmischt. In Zeiten ohne Endrundenturnier bedienen wir viele Fussballkenner, die wir mit unserem sehr tiefen Sortiment ansprechen. 2/3 der Trikots sind in Erwachsenengrösse, 1/3 für Kinder.

[Carpathia] Vertreibt Ihr neben B2C auch B2B? Welche Verkaufskanäle bewirtschaftet Ihr? 

[Alessandro Barnetta] Grundsätzlich verkaufen wir B2C. Es kann jedoch vorkommen, dass andere Händler bei Verfügbarkeitsengpässen bei uns bestellen.

90% unserer Verkäufe gehen über unseren eigenen Onlineshop. Wir sind zudem auf Amazon für den Restpostenverkauf tätig.

Home natitrikot.ch
Die Startseite von Natitrikot.ch mit den beliebten Schweizer Nati Leibchen, Quelle: natitrikot.ch

[Carpathia] Wie erreicht Ihr neue Kunden?

[Alessandro Barnetta] Die wichtigsten Kanäle sind SEO und SEA mit Google Shopping. Wir machen aber auch Kooperationen für Verlosungen und Gewinnspiele. Auf Social Media sind wir auch aktiv.

[Carpathia] Wieso kaufen die Kunden bei Euch ? 

[Alessandro Barnetta] Wir definieren uns durch vier S. Speed, Sortiment, Service & Support. Das Sortiment umfasst nicht nur die Leibchen & Shorts, sondern auch Add-ons wie Batches, die auf die Shirts gedruckt werden. Spezielle Batches gibt es oftmals nur bei uns. Beim Service & Support versuchen wir alles möglich zu machen. So haben wir gestern Abend 100 Kunden angerufen, um gemeinsam Lösungen zu suchen, dass diese trotz Lieferengpässen ihr Trikot zur gewünschten Zeit in den Händen halten.

[Carpathia] Fussball-Trikots sind vergleichbare Markenartikel. Wie sieht der Preisdruck aus und wie kann eine Preisspirale nach unten verhindert werden?

[Alessandro Barnetta] Beim Fussball hält sich seit einigen Jahren der UVP minus 10%. Da gibt es eine gewisse Preisstabilität. Ansonsten wird mit den Preisen nur beschränkt die Nachfrage beeinflusst. Bei guter Teamleistung und hoher Nachfrage sind keine weiteren Rabatte nötig. Bei schlechter Team-Performance ist die Nachfrage grundsätzlich tief und da kann auch mit hohen Rabatten nicht viel bewegt werden.

[Carpathia] Wie gross seid Ihr und in welchen Regionen und Ländern seid Ihr aktiv?

[Alessandro Barnetta] Mit sportglobe beschäftigen wir aktuell 12 Personen bei 10 Vollzeitstellen. Wir haben unseren Lagerstandort hier in der Ostschweiz, versenden die Trikots jedoch weltweit. Aktuell haben wir beispielsweise viele Bestellungen aus den USA. Kunden aus dem Ausland kaufen aufgrund unserer guten Verfügbarkeit bei uns.

[Carpathia] Wo siehst Du Wachstumspotentiale? 

[Alessandro Barnetta] Weil der Schweizer Markt für Fussballleibchen insgesamt beschränkt und risikoreich ist, führen wir unter der Dachmarke sportglobe weitere spezialisierte Onlineshops in den Bereichen Schulsport, Helme & Brillen sowie Rucksäcke. In diesen Nischen gibt es noch riesiges Wachstumspotential. Zudem sind weitere Nischenshops in der Pipeline. Dieses Jahr kommt sicher nochmals ein neuer. Wir möchten einen Umsatzanteil der Trikots weit unter einem Drittel.

[Carpathia] Welches waren für Dich die grössten Learnings im E-Commerce und Unternehmertum?

[Alessandro Barnetta] Glaube nie, dass Du den Verkaufserfolg neu erschlossener Produktsortimente voraussagen kannst, auch wenn Du schon lange im Geschäft dabei bist. So hatte ich aus verschiedenen Gründen nie erwartet, dass wir von der in diesem Jahr neu erschlossenen Produktkategorie Motorradhelme derart erfolgreich verkaufen werden.

Ein weiteres generelles Learning ist, dass ein gutes Netzwerk wirklich hilft.

Es ist sehr wertvoll, mit anderen Leuten möglichst offen Themen und Ideen des Geschäfts zu diskutieren. Geheimnistuerei bringt wenig, denn noch selten ist eine Idee erfolgreich gestohlen worden.

[Carpathia] Was ist heute Eure grösste Herausforderung im E-Commerce?

[Alessandro Barnetta] In diesen Tagen ist dies die logistische Abwicklung der grossartigen Bestellvolumen. Generell betrachtet ist die Sportartikel-Branche an sich eine Challenge. Es gibt viele Mitbewerber und einen starken Preisdruck.

Eine weitere Herausforderung ist das Liquiditätsmanagement. Unser eigenfinanziertes Unternehmen mit organischem Wachstum erfordert einen sehr sorgfältigen Umgang bei Personalinvestitionen und Produktbeschaffungen auf Lager.

[Carpathia] Welchen Einfluss hatten die Massnahmen gegen Covid-19 auf Euer Geschäft?

[Alessandro Barnetta] Als E-Commerce Unternehmen haben wir mit sportglobe im 2020 ein sehr starkes Wachstum erfahren mit einer Vervielfachung der Umsätze. So haben wir vier neue Stellen (+50%) geschaffen und viele Prozesse angepasst und optimiert.

[Carpathia] Wer gewinnt die EM?

[Alessandro Barnetta] Eine schwierige Frage. Viele der Favoriten sind bereits ausgeschieden. Sagen wir doch die Schweiz, vielleicht kommen sie noch in einen Lauf 🙂

Carpathia dankt Alessandro Barnetta herzlich für seine Zeit zur Beantwortung unserer Fragen und wünscht für die Zukunft gute Geschäfte.



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