Die letzte Meile ist einer der Hauptkostentreiber im Onlinelebensmittelhandel und Schreckgespenst von so manchem Händler. Dr. Matthias Schu hat die letzte Meile und deren Möglichkeiten in seinem neuen Report einmal genauer unter die Lupe genommen Die spannendsten Erkenntnisse daraus dürfen wir in diesem Gastblogbeitrag veröffentlichten.
Über den Autor: Dr. Matthias Schu: Matthias ist der führende E-Food-Experte im DACH-Raum, Mitglied der K5 Köpfe und des etailment Expertenrats. Nach über einem Jahrzehnt in leitenden Positionen in Beratung, Business Development und Projektmanagement im In- und Ausland, lehrt er seit September 2020 als Dozent für E-Commerce und Handel an der Hochschule Luzern. Zudem berät und unterstützt er mit seiner Boutiqueberatung «Dr. Matthias Schu | retail I ecommerce | internationalization strategy», Händler und Industrie bei Projekten, Prozessen und Strategie.
Veränderte Kundenerwartungen dominieren heute nicht mehr nur die Händlerauswahl, sondern ebenfalls in grossem Masse deren Leistungsspektrum. Und bei E-Food zählt dazu längst nicht mehr nur das Sortiment, sondern vor allem auch die Lieferleistung des jeweiligen Anbieters. Und die Frage, ob diese Lieferleistung die Bedürfnissituation des Kunden trifft.
Interessanterweise sind sich sowohl Praktiker als auch diverse Studien und Publikationen uneinig, welche Kosten und vor allem auch welche Komplexität die letzte Meile nun tatsächlich verursacht. Dies auch deswegen, da nicht allgemeingültig geklärt ist, was die letzte Meile denn nun beinhaltet. Doch auch bei den Verbrauchern gibt es noch immer diverse Bedenken hinsichtlich «liefern lassen». Doch was sind die derzeit sowohl Händler als auch die Kundschaft bewegende Themen der letzten Meile? Welche Zustellformen sind derzeit im Fokus? Wo gibt es Bedenken? Und wohin entwickelt sich die letzte Meile mittelfristig?
Kundenbedürfnisse auch auf der letzten Meile in den Vordergrund rücken
Um heutzutage im «Kampf der Konzepte» zu bestehen, müssen sich vor allem die aus dem traditionellen LEH stammenden Händler deutlich stärker mit dem Thema letzte Meile auseinandersetzen. Und auch hier eine Differenzierungsmöglichkeit schaffen und dabei die Stärken ihrer bestehenden Strukturen um einiges prominenter zu einem Vorteil aus Kundensicht ummünzen. Aus Händlersicht sind fünf Themenfelder relevant, die heute bei E-Food im Rahmen der letzten Meile im Vordergrund stehen, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren und den Kunden in seiner Bedürfnissituation bestmöglich anzusprechen. Diese sind:
- Geschwindigkeit und Cut-off-Zeiten,
- Convenience und Lieferzeitfenster,
- Nachhaltigkeit,
- Order Tracking / Delivery Journey, sowie
- Auswahl weiterer Optionen innerhalb der Customer Journey.
Es gibt nicht das eine Modell der letzten Meile
Analysiert man gängige Modelle der letzten Meile im Onlinelebensmittelhandel, lässt sich feststellen, dass es nicht das eine dominante Modell gibt. Und sich die Modelle in der letzten Dekade noch stärker fragmentiert haben. Dies auch durch den fortschreitenden Bedeutungszuwachs von Omnichannel- und Noline-Commerce und einer Erweiterung der Touchpoints. So wundert es auch nicht, dass gerade Händler, die einen ursprünglich stationären Fokus aufweisen, oftmals nicht ein Ausliefermodell in Reinform betreiben, sondern einen Mix verschiedenster Optionen anbieten («Mischformen»). Dies, um möglichst viele Bedürfnissituationen der Kundschaft zu adressieren und abzudecken.
In der praktischen Ausführung begegnet einem auf der letzten Meile ein bunter Strauss an Möglichkeiten bei der Zustellung:
- Zustellung mit Kastenwagen/Kleintransportern,
- Elektroleichtfahrzeuge,
- Velokuriere und Lastenräder,
- Roller und Scooter,
- Walking Deliveries,
- Crowdshipping,
- Lieferdrohnen,
- Lieferroboter und selbstfahrende Fahrzeuge, und auch
- Click& Collect Schalter, Drive-in-Konzepte oder Locker-Boxen, bei denen die letzte Meile an die Kundschaft outgesourced wurde.
Die letzte Meile ist auch bei E-Food nachhaltig und grün
In den letzten beiden Dekaden hat der Onlinehandel weltweit stetig zugenommen und auch die breit akzeptierte Nutzung von Smartphones hat unser Verbraucherverhalten nachhaltig verändert. Doch in Bevölkerung und Medien wird E-Commerce – wobei der Fokus hier primär nicht auf den Onlinelebensmittelhandel, sondern auf Non-Food gelegt wird – nicht nur als Zerstörer der Innenstädte angesehen, sondern steht auch vielerorts in der Kritik, nicht nachhaltig zu sein. Im Fokus der Kritik stehen dabei primär die Themen Verpackungsmüll, Retourenquoten, viele Einzelbestellungen statt dem vermeintlich effizienten Grosseinkauf am Wochenende sowie vor allem das Thema weite Strecken, auf denen die Bestellungen unterwegs sind.
Diese vermeintlichen Kritikpunkte konnten inzwischen durch etliche Studien sowohl für E-Commerce generell also auch für E-Food widerlegt werden. Hinsichtlich CO2-Bilanz ist E-Food deutlich nachhaltiger als der Individualeinkauf im System stationärer Supermarkt.
Wo die Reise hingehen wird: Trends der Letzten Meile im E-Food
Auch bei der letzten Meile zeichnen sich gewisse Trends ab, um die Händler mittel- bis langfristig keinesfalls herumkommen können. Richtig erkannt und umgesetzt bieten sich jedoch aus Händlersicht mannigfaltige Möglichkeiten, über eine klug und sauber aufgesetzte Last-Mile-Strategie eine deutliche Verbesserung der Unit Economics sowie der eigenen EBIT-Rechnung zu erzielen. Und dabei, neben prozessualer Effizienz und Automatisierung, einen wichtigen Schritt zur Erreichung, respektive Sicherung der eigenen Profitabilität im Gesamtsystem des Händlers, sicherzustellen.
Die wichtigsten Trends mit Impact auf die letzte Meile sind:
- Liefergebühren und Zahlungsbereitschaft der Kunden dafür sinken mittelfristig weiter
- Sameday Delivery und kurze Lieferzeitfenster werden ein Muss
- Convenience für den Kunden: Lückenloses Tracking, Gamification, Convenience stehen bei den Kundinnen hoch im Kurs
- Ausnutzen von Netzwerken und Spezialisten: Mittelfristig wird es nicht mehr von Nöten sein, die letzte Meile unbedingt selbst zu machen
- Noch mehr Nachhaltigkeit: Der Nachhaltigkeitsgedanke wird von den Kunden noch stärker auf der letzten Meile eingefordert werden
- Autonome Zustellmethoden werden an Relevanz gewinnen
Effizienz und Kundenzufriedenheit im Fokus
Gerade in den heutigen Zeiten von Black Ocean und Unsicherheit gilt: Der Fokus auf Effizienz, Digitalisierung und schlanke Prozesse, die nahtlos ineinander übergreifen und so einen Zeit- und Kostenvorteil generieren, geht auch nicht an der letzten Meile vorüber. Händler als auch spezialisierte Service-Provider sollten durch saubere Abläufe bei der Lieferung den Endkunden begeistern und so eine grössere Loyalität schaffen.
Einen Deep Dive in die letzte Meile mit Fokus E-Food bietet Matthias Schus neueste Publikation: «Der E-Food Last Mile Delivery Report». Hier geht’s zum Report.