Vor einer Woche am Dienstag, 26. März, hat der St.Galler Internettag in den Räumlichkeiten des Gottlieb Duttweiler Instituts in Rüschlikon stattgefunden. Die Konferenz wird vom Gottlieb Duttweiler Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement der Universität St.Gallen organisiert und bot in der mittlerweile 11. Ausgabe mit dem Titel «Unlocking the Potential of Personalization & Automation in eCommerce» eine hochkarätige und interessante Vortragsreihe mit Vertretern aus Forschung & Praxis.
Eröffnet wurde die Konferenz von Lehrstuhlinhaber Prof Dr. Thomas Rudolph, der in seiner Keynote die neusten Ergebnisse seiner seit 1999 alle zwei Jahre durchgeführten Studie zur Schweizer Internetnutzung präsentierte. Die Studie basiert auf einer repräsentativen Personenbefragung von 1’320 Schweizer Bürgerinnen und Bürger.
Starke Zunahme der Häufigkeit und Dauer der Internetnutzung bei unter 25-Jährigen
Im Vergleich zur Erhebung im Jahr 2017 hat die Häufigkeit der Internetnutzung in allen Alterssegmenten zugelegt. Während in der Altersgruppe über 55 Jahren der Anteil mit stündlicher Internetnutzung mit einem Plus von 0.5 Prozentpunkten auf tiefem Niveau relativ stabil geblieben ist, hat die Häufigkeit mit absteigendem Alter teils stark zugenommen. So greift im Jahr 2019 mit 56.2% mehr als jeder Zweite der unter 25-Jährigen stündlich auf das Internet zu, was einer Zunahme von knapp 25% über die letzten zwei Jahre entspricht.
Neben der Nutzungshäufigkeit zeigt auch der Blick auf die tägliche Nutzungsdauer in der Freizeit eine interessante Entwicklung. Menschen unter 25 Jahren halten sich heutzutage durchschnittlich 4.32 Stunden und damit täglich mehr als 50 Minuten länger im Internet auf als noch vor 4 Jahren. Bei den 25-34 und 35-54 Jährigen bleibt die Nutzungsdauer unverändert bei 3.36 bzw. 2.92 Stunden pro Tag. Bemerkenswert erscheint die doch markante Abnahme der Nutzungsdauer bei über 55 Jährigen auf 2.73 Stunden und damit klar unter den Wert vor vier Jahren. Hier wird es interessant sein, die weitere Entwicklung zu beobachten.
Schweizer verlieren E-Commerce Hemmungen und kaufen zunehmend über das Smartphone ein
Auch im Jahr 2019 empfinden weiterhin viele Schweizer verschiedene Hindernisse beim Online-Einkauf. Die drei wichtigsten sind Bedenken bezüglich korrekter Qualitätsbeurteilung, negativer Auswirkungen auf den stationären Handel und Schwierigkeiten bei Produktrückgaben. Über die letzten zwei Jahre haben diese Bedenken jedoch über alle Hindernisarten hinweg stark an Bedeutung verloren. Hervorzuheben gilt es insbesondere die starken Rückgänge bei der persönlichen Beratung und den Datenschutzbedenken.
Wenn Herr und Frau Schweizer ihre Bedenken beiseitelassen und online einkaufen, tun sie dies im Durchschnitt wertmässig zu 20% über ihr Smartphone. Bei den unter 25 Jährigen wird hingegen bereits jeder zweite E-Commerce Franken via Smartphone ausgegeben.
Zalando als beliebtester und grösster Onlineshop der Schweiz / Digitec Galaxus gewinnt bei Zufriedenheit & Inspiration
Im Ranking der beliebtesten Online-Händler behält Zalando die Spitzenposition und kann diese sogar weiter ausbauen. 14.5% der Schweizer haben in den letzten 12 Monaten am häufigsten ihre Onlineeinkäufe bei Zalando getätigt. Da der deutsche Modehändler seit 2018 neu auch umsatzstärkster Onlineshop ist, steht dieser im Moment in doppelter Hinsicht auf dem Schweizer E-Commerce Siegertreppchen.
Da ausser Ricardo und ExLibris alle anderen Top-10 Onlineshops ihre Position stärken konnten, hat sich insgesamt deren Volumenkonzentration auf 45% (+8%) gesteigert.
Bezüglich der allgemeinen Zufriedenheit beim Einkauf hingegen rangieren Digitec und Galaxus an erster respektive zweiter Stelle. Auf dem dritten Platz steht ExLibris und erst danach folgt Zalando in dieser Wertung.
in der Rangierung der inspirierendsten Online-Händler teilen sich neu Galaxus und ExLibris die Spitzenposition, etwas abgeschlagen findet sich hier Zalando auf Platz 5 ein. Die starken Inspirations-Bemühungen und erklärtes Differenzierungsmerkmal scheinen definitiv beim Kunden anzukommen.
Künstliche und menschliche Intelligenz im Streitgespräch
Im Anschluss an die Präsentation der Studienergebnisse wurde die Bühne Vertretern aus der Praxis überlassen, die ihre unternehmensspezifischen Erfahrungen zu den Themen Personalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz mit dem Publikum teilten. Zu den Rednern und Diskussionsteilnehmern gehörten ausgewiesene Persönlichkeiten aus den IT-, Handels-, Banken- und Telekommunikationsbranchen.
Besonderen Eindruck hat mir der Vortrag von Dr. Dorothea Wiesman, Head of Cognitive Computing & Industry Solutions von IBM hinterlassen. IBM unterteilt Artificial Intelligence (AI) in die drei Kategorien «Narrow», «Broad (AI for Enterprise)» und «General AI».
Aktuell befinden wir uns demnach in der Phase des «Broad AI», die Systeme mit Entscheidungskompetenz für spezifische Problemstellungen mit begrenzter Datenlage im Geschäftsbereich betrifft. Als Beispiel kann die automatisierte Bilanzanalyse mit anschliessender Empfehlung zur passenden Währungsabsicherungsstrategie genannt werden.
«General AI» ist die höchste Stufe künstlicher Intelligenz und wird am ehesten mit der Kapazität und Komplexität der menschlichen Intelligenz verglichen. Der Einsatz derartiger Systeme im Alltag wird von IBM jedoch nicht vor 2050 erwartet.
Die meisten AI-Systeme, bei denen heute von künstlicher Intelligenz gesprochen wird, entsprechen jedoch der Kategorie «Narrow». Diese vor allem bei Consumer Products eingesetzten Systeme greifen auf eine Fülle vorhandener Daten zu und führen klar spezifizierte Aktionen des «Common Knowledge» durch. Sprachunterstützte Bestellvorgänge und autonomes Fahren sind Beispiele dieser Kategorie.
Als aktuelles State-of-the-Art AI-System wurde die aktuelle IBM Research next Grand Challenge «Project Debater» im Video vorgestellt. «Project Debater» ist das erste AI-System mit der Fähigkeit, ein komplexes Thema mit einem menschlichen Opponent live zu debattieren. Das System erkennt aus einer Fülle von Daten (Zeitungsartikel, Journals) die relevanten Informationen, ordnet diese der Pro- und Kontraposition zu und entwickelt schlagkräftige Hauptargumente. Im Streitgespräch nimmt er die Argumente des menschlichen Gegenübers auf und liefert passende Gegenpositionen, teil sogar mit humoristischer Ergänzung. Nichtsdestotrotz hat «Project Debater» die letzte Debatte im Februar 2019 in San Francisco zum Thema «We should subsidize preschools» gegen den weltbesten Debattierer Harish Natarajan verloren, weil dieser noch spezifischer auf das anwesende Publikum eingegangen ist.