Commerce-Report 2020 – Grenzen verschwinden (1/3)

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Heute ist wieder der E-Commerce Report Schweiz erschienen, der sich neu Commerce Report Schweiz 2020 nennt. Dabei handelt es sich um eine qualitative Studie aus Sicht der Anbieter, der die Digitalisierung im Vertrieb an Konsumenten untersucht. Die Studienreihe, die seit 2009 durchgeführt wird, endet mit dieser letzten Ausgabe.

Für die Studie wurden 35 in der Schweiz potenziell marktprägende Online- und Multichannel-Anbieter von Konsumgütern und Dienstleistungen befragt. Zusammen stemmen sie ein E-Commerce-Volumen von über 6 Mrd. CHF.

Dieser Beitrag ist eine kompakte Zusammenfassung der sehr ausführlichen Studie. Der Commerce Report Schweiz 2020 kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Ein durchschnittliches 2019 und hohe Erwartungen ans laufende Jahr

2019 haben Schweizer für rund 10 Mrd. CHF online eingekauft, was einer Zunahme von 8% entspricht. Das liegt unter den 10% des Vorjahres, ist aber immer noch weitaus höher als das Wachstum von 0.3% des Schweizer Detailhandels.

Im laufenden Jahr sieht das Bild jedoch schon wieder etwas anders aus, denn es wird ein Wachstum von 22% bis 30% prognostiziert. Verantwortlich für diese Entwicklung dürfte die Corona-Krise sein, die als Digitalisierungs-Booster zu einem Vertrauensschub gegenüber Onlinekanälen geführt hat.

Planungen für die Umsatzentwicklung im Jahr 2020; E-Commerce-Report Schweiz, Juni 2020 FHNW/Datatrans

Die Umsatzentwicklung der Mitglieder des Verbands des Schweizerischen Versandhandels VSV zeigt jedoch, dass immer weniger Marktteilnehmer am Marktwachstum teilhaben und sich grosse Anbieter deutlich besser entwickeln als kleine.

Sehr interessant ist die Entwicklung der ausländischen Plattformen im vergangenen Jahr. Erstmals seit fünf Jahren hat sich deren Wachstum verlangsamt. Davor entwickelten sie sich doppelt so schnell wie inländische Anbieter.

Marktplätze und Social-Media sind die grossen Gewinner

Bei der erwarteten Entwicklung der verschiedenen Kanäle sind die Marktplätze und Social-Media die grossen Gewinner. Es wird erwartet, dass die höchsten Marktanteilsgewinne von den ausländischen Marktplätzen Amazon, Zalando und Aliexpress ausgehen.

Auch gute Chancen haben Galaxus und microspot.ch. Doch die grösste Veränderung zeigt sich in den Social-Media-Kanälen. Diese spielten bis anhin eine eher untergeordnete Rolle, könnten aber in naher Zukunft stark Marktanteile gewinnen. (Einen spannenden Gastbeitrag haben wir dazu unter folgendem Link veröffentlicht)

Facebook lanciert Shopping-Lösung und bindet Instagram, WhatsApp und den Messenger nahtlos ein

Individuelle Onlineshops hingegen gehören nicht zu den grossen Profiteuren, da sie betreffend Kunden- und Datenzugang zu globalen, digitalen Plattformen in Konkurrenz stehen. Eine Ausnahme bildet der inländische Lebensmittelhandel, da in diesem Segment Onlinemarktplätze keine Bedeutung haben.

Als ein kritischer Erfolgsfaktor wird der Kundenzugang genannt. Um eine dauerhafte Anbieter-Kunden-Beziehung und eine Top-of-Mind-Stellung zu erreichen, wurden vier Ansätze identifiziert.

  1. Besondere Vertrauensstellung, z.B. als Fachhändler wie Brack.ch oder Farmy wegen der Ausrichtung auf Sustainable Grocery
  2. Geschäftsmodelle, die beziehungsorientiert ausgelegt sind, z.B. ein Produktabo bei Beliani, ein Lieferabo bei Le Shop oder Seamless Payment bei SBB
  3. Nähe oder leichte Zugänge zur Ware, z.B. bei Miacar oder coop.ch mit ihren Eigenauslieferungen in definierten Zeitfenstern
  4. Datenbasierte Services, z.B. auf persönliche Präferenzen abgestimmte Rabattcoupons bei coop.ch oder die Einkaufslisten-Funktionen von Bring!
Erfolgsfaktor Kundenzugang
Erfolgsfaktor Kundenzugang; E-Commerce-Report Schweiz, Juni 2020 FHNW/Datatrans

Aus E-Commerce wird Commerce

Den Begriff E-Commerce zu verwenden wird immer schwieriger, denn er lässt sich nicht mehr sauber abgrenzen. Die unterschiedlichsten Kanäle verschmelzen in der Customer Journey der Konsumenten.

Die Wichtigkeit der Onlinekanäle über deren Umsätze zu definieren, kann ein Fehler sein, denn in der vernetzen Angebotswelt stehen die Kanäle nicht konkurrenzierend zueinander, sondern ermöglichen den Konsumenten erst ein durchgängiges Einkaufserlebnis.

Deshalb sollte auf Ebene Geschäftsmodell der Begriff Commerce verwendet werden, der die digitalen Vertriebskanäle als integrale Bestandteile versteht.

Die Vernetzung der Angebotswelt nimmt weiter zu. Mit vielen Innovationen kann in den kommenden Jahren bei den stationären Geschäften gerechnet werden, denn diese bekommen als Touchpoint einer vernetzten Angebotswelt eine neue, wichtige Rolle.

Fünf Merkmale beschreiben den aktuellen Zwischenstand des Strukturwandels in der Konsumgüterindustrie.

  • Verschmelzung von Off- und Onlinekanälen
  • Aufbrechen der vertikal organisierten Branchen
  • Besetzung zentraler Rollen durch digitale Plattformen
  • Entbündelung traditioneller Handelsfunktionen
  • Spezialisierung auf den Zugang zu Kunden

Ein schönes Beispiel, wie Off- und Onlinekanäle miteinander verschmelzen, ist die jüngste Entwicklung bei Coop.

coop@home und Mondovino sind Geschichte – coop.ch ist lanciert



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