On-Demand Manufacturing wird den Handel grundlegend verändern

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In den letzten Jahren hat sich die Produktionslandschaft dank technologischer Fortschritte und wachsendem Umweltbewusstsein verändert. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist das Konzept des „On-Demand Manufacturing“. Diese innovative Methode verspricht nicht nur eine nachhaltigere Produktionsweise, sondern könnte auch die vierte industrielle Revolution vorantreiben.

On-Demand Manufacturing verändert die Art und Weise, wie Produkte hergestellt, verteilt und verkauft werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Reduzierung von Überproduktion, Optimierung von Ressourceneinsatz und eine zunehmende Individualisierung für Kunden und Kundinnen. Dieser Wandel wird die Handelslandschaft prägen. Unternehmen müssen sich auf diese Veränderungen einstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

On-Demand Manufacturing, C2M oder Fabbing?

On-Demand Manufacturing ist ein Ansatz, bei dem Produkte erst dann hergestellt werden, wenn eine konkrete Nachfrage danach besteht, anders als bei traditionellen Produktionsmethoden, bei denen grosse Mengen von Gütern im Voraus hergestellt und gelagert werden. Oft werden dafür auch die Begriffe „On-Demand Production“ oder „On-Demand Fertigung“ verwendet.

In diesem Kontext stösst man auch auf die Begriffe Fabbing und C2M. Mit Fabbing bezeichnet man die Produktion von individuellen Produkten, oft unter Zuhilfenahme von 3D-Drucktechnologie, CNC-Maschinen und anderen digitalen Fertigungsverfahren. C2M, kurz für Consumer-to-Manufacturer, wird vorwiegend für die neuartigen Geschäftsmodelle aus dem asiatischen Raum verwendet, bei denen erst aufgrund einer vorhandenen Nachfrage produziert wird (mehr zu C2M gibt’s hier).

Das C2M-Modell vereinfacht dargestellt — Quelle: Carpathia

Die Begriffe und Modelle können nicht trennscharf abgegrenzt werden, gemeinsam haben sie jedoch alle, dass zu Beginn die konkrete Nachfrage besteht und nicht die Massenproduktion.

Wo wird On-Demand Manufacturing bereits eingesetzt?

In grossem Stil wird On-Demand Manufacturing bereits von asiatischen Grössen wie Alibaba, JD oder Shein eingesetzt. Hier ist der Prozess bemerkenswert, mit welchem zuerst die konkrete Nachfrage aufgebaut wird, um dann innert nützlicher Frist grössere Mengen produzieren zu lassen. Dabei geht es jedoch weniger um Individualität und Nachhaltigkeit, als um einen garantierten Absatz der Produkte.

Einen etwas anderen Ansatz mit individuellen Produkten verfolgen beispielsweise Nike By You, F-CUT von Freitag, indyvit, oder SpoiledChild.

nike by you
Nike By You — Quelle: nike.com

Kürzlich hat auch Desigual ihre erste On-Demand-Kollektion auf den Markt gebracht. Dieser Ansatz von Desigual steht im krassen Kontrast zu Fast Fashion und wird noch bewusst dadurch unterstrichen, dass Käuferinnen den gesamten Produktionsprozess mitverfolgen können.

Auch wenn sich viele aktuelle Bespiele noch auf den Fashion-Bereich beziehen, dürften neue Fertigungsverfahren diese Entwicklung auch in anderen Bereichen vorantreiben.

Der positive Impact auf die Umwelt

Einer der herausragenden Vorteile von On-Demand Manufacturing ist die Reduzierung von Überproduktion. In herkömmlichen Fertigungsbetrieben werden oft grosse Mengen an Produkten produziert, die möglicherweise nie verkauft werden und am Ende als Müll enden oder unter Einstand auf den Markt gedrückt werden.

On-Demand Manufacturing minimiert diese Risiken, da Produkte nur hergestellt werden, wenn ein tatsächlicher Bedarf besteht. In der Folge werden die Ressourcen zur Herstellung und zum Transport der Überproduktion gespart.

Das bedeutet jedoch nicht, dass alles, was auf Nachfrage produziert wird, auch gut für die Umwelt ist. Gerade die C2M-Modelle aus dem asiatischen Raum sollten kritisch hinterfragt werden.

Die Auswirkungen auf den Handel

On-Demand Manufacturing steht noch am Anfang, hat jedoch das Potenzial, den Handel und die gesamte Handelslandschaft grundlegend zu verändern, insbesondere in der Konsumgüterindustrie. Besonders diese Supply Chain ist darauf ausgelegt, zuerst zu produzieren und dann in vielen Fällen über einen hohen Warendruck und Aktionen abzuverkaufen.

Aktuell gibt es gute Gründe davon auszugehen, dass On-Demand Manufacturing über einen längeren Zeitraum in vielen Branchen genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, wie traditionelle Produktionsmethoden werden wird, denn es bedient den wachsenden Kundenwunsch nach Nachhaltigkeit und Individualität. Wenn diese Entwicklung so eintritt, dann zeichnen sich nachfolgende Auswirkungen auf den Handel ab.

Stärkung des D2C bei individualisierbaren Produkten

On-Demand Manufacturing wird die Art und Weise verändern, wie viele Unternehmen Produkte entwickeln und verkaufen. Statt auf Massenproduktion setzen Unternehmen verstärkt auf die Entwicklung von individualisierbaren Produkten, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Besonders die Möglichkeit der Individualisierung führt dazu, dass Konsumenten den direkten Zugang zum Brand oder Hersteller suchen werden.

Produktion in der Nähe der Zielmärkte

Der traditionelle Ansatz, Waren in grossen Mengen in kostengünstigen Ländern zu produzieren und dann weltweit zu verteilen, könnte durch On-Demand Manufacturing beeinflusst werden. Unternehmen könnten kleinere Serien oder individuelle Produkte in der Nähe ihrer Zielmärkte produzieren, um Transportkosten zu sparen und die Lieferzeiten zu verkürzen. Die Folge davon wäre auch, dass Zwischenhandelsstufen noch weiter unter Druck kommen werden.

Neue Key Activities im Detailhandel

Um die Auswirkungen auf den Handel besser einschätzen zu können, müssen wir zwischen individualisierbaren Produkten (inkl. mass customization) und der Massenproduktion von nicht individualisierbaren Produkten, wie sie auch in einem C2M-Modell stattfindet, unterscheiden.

Kunden und Kundinnen werden individualisierbare Produkte vermehrt direkt vom Hersteller beziehen, anstatt sie bei einem Händler zu kaufen, der nicht dieselben Möglichkeiten bietet. Beim Vertrieb von nicht individualisierbaren Produkten sind die Anforderungen an die Händler geringer. In beiden Fällen verliert die Lagerhaltung, eine aktuell noch zentrale Aufgabe des Handels, an Bedeutung.

Somit ergeben sich für Händler zwei Entwicklungsrichtungen: Zusammen mit dem Brand/Hersteller ein durchgängiges Einkaufserlebnis anbieten und dabei ev. einige Produktionsschritte übernehmen oder sich darauf spezialisieren, in möglichst kurzer Zeit, möglichst viele Vorbestellungen generieren zu können, analog Shein.

Händler sollten sich also Gedanken machen, welche Kernkompetenzen und Key Acitivies sie aufbauen müssen, um künftig integraler Bestandteil einer nachfragebasierten Supply Chain zu sein.

Beitragsbild: Midjourney



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